Notgeld der Stadt Mühlhausen 1921 Entwurf Karl Ullrich (2) |
Bauernunruhen in der Weimarer Republik von 1928 bis 1929"Die Entwicklung der Weimarer Republik war staatsrechtlich gesehen die schrittweise Auflösung der Gesetzlichkeit, die Unterhöhlung und der schließlich offene Bruch des alten bürgerlichen Prinzips vom 'Rechtsstaat'." Otto Grotewohl (1948)→ Zeittabelle der Ereignisse in der Weimarer Republik → Stichwörter → Zeitgenossen → Spekulanten und Bankiers → Quellen und Literatur |
Notgeld der Stadt Frankenhausen 1921 Entwurf Walter Hegeümunburg (3) |
Die Repudiation der Mark |
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Man rechnet mit dem Beginn der weltweiten Agrarkrise das Jahr 1927. In Deutschland aber war die politische Auseinandersetzung
bezogen auf die Landwirtschaft längst im Gange, verschärft insbesondere durch die noch nie in solchen Ausmaßen erlebte Inflation,
die angeblich die Landwirte von ihren Schulden befreite.
In Wirklichkeit lösten sich deren Ersparnisse
im Nichts auf. Ihr Investitionsbedarf, der schon während des
Weltkrieges stark angestiegen war und durch den Versailler Vertrag erneut verschärft wurde, blieb ungedeckt.
Vor allem die Jahre 1925 bis 1932 waren Jahre, in denen die Bauern sich, ihren Familien und ihren Landarbeitern nicht viel
an qualitativen Lebensmitteln antun konnten. Es galt wieder Steuern und Zinsen für die seit 1925 schnell anwachsenden
Schulden zu zahlen. Dringend benötigten sie Geld für Werkzeuge und Maschinen. Interessant ist, das die eigens
dafür entstehenden Banken wie z.B. die .... eben nicht das Geld für bezahlbare Kredite bereit stellten.
Der deutsche Agrarökonom Adolf Münzinger schrieb 1929 über die Ernährungsverhältnisse der
Bauernfamilien: " Im allgemeinen wird man der bäuerlichen Familie das Zeugnis ausstellen müssen, das sie ihre Ansprüche
an die Beköstigung soweit als möglich herarbsetzt und daß sie dabei versucht, zur Befriedigung dieser Ansprüche
nach Möglichkeit die eigenen Produkte heranzuziehen." (12 S.839)
Programme der Parteien |
Zeittabelle
Ereignisse im Vorfeld 1923 bis 1927 | ||
Bemerkungen zur Tabelle: Die Zeittabelle soll nachweisen, wie wenig sich die Weimarer Republik in den sogenannten goldenen zwanziger Jahren um die Belange der Bauern kümmerte. Eigentlich scherte sie sich generell nicht um die Nöte der Bevölkerung. Die Struktur der Weimarer Republik war ausschließlich zwei Zielen untergeordnet: 1. Garantierung der Reparationszahlungen an die Siegermächte des I.Weltkrieges und 2. Sicherung der Herrschaft des sich immer weiter ausdehnenden global wirkenden Finanzwesens, das entgegen heutigen Redewendungen von der Globalisierung bereits in den Zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts weltweit operierte. Dessen militärische Option, die auf eine absolute Unterwerfung der Sowjetunion zielte, war in jenen Tagen nur für wenige offensichtlich. Diese historisch nicht zu leugnende Voraussicht der KPD, die als einzige Partei der Weimarer Republik das erkannt hatte, sollte ihr eigentlich nach 1945 einen gewissen Respekt sichern. Leider kann ein heutiger Leser dazu keine seriösen Veröffentlichungen finden. |
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November 1923 | Einführng der Rentenmark:
4,2 Billionen Papiermark entsprachen einem US-Dollar. Der Wechselkurs
der Papiermark zur Rentenmark wurde mit 1 zu 1 Billion festgelegt.
Damit entsprachen 4,2Rentenmark= 1 US-Dollar. Die Rentenmark wurde mit Sachwerten von 3,2 Milliarden Goldmark und durch Hypotheken auf Immobilien der Landwirtschaft gedeckt! Da jedermann ein fortschreitendes Absinken der Papiermark erwartete, drängten sich die Interessenten an den Ausgabeschaltern der Rentenmark. Es kam dabei zu Tumulten.((4)S.71) Die bevorzugte Ausgabe erfolgte an öffentliche Stellen, Ministerien und Krankenkassen. Es gab Vorschriften, wieviel Prozent vom Gehalt in Rentenmark ausgezahlt würden. Insbesondere Bedürfnisse der Landwirtschaft und des Lebensmittelhandels wurden berücksichtigt. Diese Personen und Firmen erhielten Sonderausweise für den Bezug. Ferner wurden Rentenmark abgegeben, wenn Devisen eingezahlt wurden! Dabei ist zu berücksichtigen, das der Umlauf von Devisen im Innland strafbar war, eine Einführung nur illegal erfolgen konnte und folglich also keine Fremdwährungen zu haben sein konnten. |
Bei dem herrschenden Mangel an Lebensmitteln und der grassierenden Devisenknappheit herrschte eine Stimmung
vor, die behauptete, das vornehmlich Schieber und Betrüger die eigentlichen Gewinner der Inflation und der anschließenden
Umtauschaktion waren! In Realität verlor die Landwirtschaft damit die letzten Geldreserven. Erforderliche Investitionen bedeuteten sofortige Neuverschuldung. Der Lebensstandard der Bauern lag immer noch unter dem Vorkriegsniveau. |
ab 1924 | Einsetzen der Hofversteigerungen. Zwischen 1924 bis 1928 wurden c.a. 800 000 ha zwangsversteigert. |
Plakat der KPD zu den Feierlichkeiten anläßlich des Thomas-Müntzer-Tages in Gera 1925 (5) |
25.01. 1925 | Beim Kleinbauernkongreß in Königswalde versammeln sich rund 700 Bauern. | |
16.02.1925 | Graf von Kalckreuth eröffnet den Jugendtag des Reichslandbundes in Berlin mit Angriffen auf das Regierungssystem, die Juden und die "Revolutionsschmach". | |
15.06.1925 | Die 55.Hauptversammlung des Deutschen Landwirtschaftsrates in Friedrichshafen fordert die Errichtung einer deutschen Rentenbankkreditanstalt. | |
01.10.1925 | Gründung des "Reichsbundes der Kleinbauern". Er soll als Interessenvertreter der Kleinbauern zum Gegenpol des "Reichslandbundes" werden. | |
Winter 1925/26 | Protestaktionen von Winzern und Bauern in mehreren Orten im Westen der Republik. | |
14.02.1926 | In der "Roten Fahne" erscheint der KPD-Aufruf: Das Gesicht dem Dorfe zu! Darin wird für die Bauern gefordert: - Steuerfreiheit - billige und langfristige Kredite - Großgrundbesitz muß Boden für die Bauern stellen - staatlich garantierte Saatgut-,Dünger- und Futtermittelbelieferung - Ausschaltung des wucherischen Zwischenhandels |
Für die Landarbeiter fordert die KPD: - Gesetzlichen Mindestlohn - Verbot der Frauen-u. Kinderarbeit - Einhaltung des Achtstundentages - Gleichstellung von Landarbeitern mit Industriearbeitern in der Sozialversicherung - Verstaatlichung der Gutswohnungen und - uneingeschränktes Koalitionsrecht |
28.02.1926 | Auf der 6.Tagung des Reichslandbundes benennt der Vorsitzende Graf Kalckreuth die Gefahren für die Landwirtschaft, die durch die kurzfristigen Wechselverschuldungen drohen. | |
Februar 1926 | Massenversammlungen der Weinbauern im Moseltal. Am 25.2. erstürmen tausende Winzer das Finanzamt und das Zoll-Amt in Bernkastel und vernichten die Akten. Unter Polizeieinsatz wird die Unruhe unterdrückt, die Anführer verhaftet. |
Inflation, Missernten, Importpolitik der Regierung, Weinsteuer u.a. führten zur Verarmung der Weinbauern. Hinzu kam das Kreditverbot durch die Rentenbank-Kreditanstalt. |
20.06.1926 | Volksentscheid über die Enteignung der Fürstenvermögen. Von - 15 599 797 Wahlteilnehmern stimmen: - 14 455 184 für - 585 710 gegen die entschädigungslose Enteignung der Fürsten. Damit wurde angeblich die notwendige Mehrheit nicht erreicht. |
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21.06.1926 | Der Staatssekretär im Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft, Hagedorn tritt zurück. | |
November 1926 | In der Presse wird bekannt, das in der Provinz Brandenburg im letzten Sommer 138 Bauerngüter wegen Zahlungsunfähigkeit versteigert wurden. Aus anderen Gebieten werden vergleichbare Zahlen gemeldet. | |
ab August 1927 | Einsetzen der verschärften Agrarkrise. Besonders deutlich in Thüringen und in Schleswig-Hostein |
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18.10. bis 15.11. 1927 |
Eine Sondertagung des Landtages von Oldenburg beschließt die Erhöhung der Beamtengehälter, finanziert durch Realsteuererhöhungen. | |
1927 | Im Jahr 1927 wurden 7 070 Konkurse angemeldet. | |
Jahresübersicht 1928 | ||
26.01. | Eine Massenversammlung auf dem Oldenburger Pferdemarkt mit etwa 40 000 Teilnehmern überreicht 14 Forderungen der oldenburgischen Wirtschaftsstände. | |
28.01. | 140 000 Bauern demonstrieren in Schleswig-Hostein unter der vorsichtigen Losung: "Keine Steuern aus der Substanz!" gegen die Landwirtschaftspolitik der Reichsregierung gegen Pfändungen gegen Zwangsversteigerungen Otto Johannsen hatte zu Protesten aufgerufen. |
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21.06. | Eine Reform der Grundsteuer wird mit einer Mehrheit aus SPD, DDP und KPD beschlossen. Eine Reform der Gewerbesteuer wird mit einer Mehrheit von SPD, DDP und DNVP beschlossen. |
Prüfen: Beschlüsse im Landtag von Freistaat Braunschweig? |
15.04. bis 22.04. |
In Mecklenburg erreicht ein vom Landvolk betriebenes Volksbegehren nicht das erforderliche Quorum. Mit ihm sollte eine Anklage des Staatsministeriums vor dem Staatsgerichtshof erreicht werden. Der Landbund hatte eine vorsätzliche Verletzung der Amtspflichten gesehen, da die nach einer Unwetterkatastrophe 1927 bereitgestellten Mittel erst 1928 unter Abzug ausstehender Steuern und Pachten ausbezahlt wurden. | In verschiedenen Arbeiten prognostiziert →, Edwin Hoernle, der Landwirtschaftsspezialist der KPD die Möglichkeit des Ansteigens der faschistischen Gefahr auf dem Lande. |
01.07. | Für 1928 werden 10 595 Konkurse gemeldet. In Ostpreußen, Grenzmark Posen, Pommern und bayrische Pfalz geht die Steigerung gegenüber dem Vorjahr über den Landesdurchschnitt. Die schwierige Lage in der Landwirtschaft greift auf die Landstädte über. |
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19.11. | Beim Beidenflehter Ochsenfeuer verhindern 200 aufgebrachte Bauern vorübergehend die Pfändung von Tieren zur Eintreibung von Steuerschulden. | |
28.11. | Die Bauernschaft in Norddeutschland verübt wegen finanzieller Lasten zahlreiche Attentate, so in Hollenstedt, Lunden und Beidenfleth. | |
Jahresübersicht 1929 | ||
02.03. | Das Symbol des Landvolkes ist eine schwarze Fahne. Sie zeigt einen weißen Pflug mit rotem Schwert,
als Fahnenstange eine gerade geschmiedete Sense. Der Steuerboykott steigert sich zur Nothilfebewegung. |
Anzeige in den Itzehoer Nachrichten am 2.3.1929: Kundgebung. Auf zur Selbsthilfe! Entschließungen, Eingaben, Reden, Proteste sind bisher erfolglos geblieben. Da bleibt uns nur noch die Selbsthilfe. Tausende Bauernhöfe stehen vor der Zwangsversteigerung. Deshalb sammelt sich das in Not befindliche Landvolk – Bauern – Handwerker – Arbeiter – nationale Beamte – Mittelständler! |
04.03. | Gründung der Steinburger Nothilfe zur Organisation von Steuerboykotten und anderen Selbsthilfen durch die Landbevölkerung. Über Zwölfhundert Bauern versammelten sich in Itzehoe, erkärten sich nach Artikel 1 der Weimarer Verfassung zum Volk, erklärten die gegen ihre Einwilligung erlassenen Steuerbescheide für rechtswidrig und verbrannten sie öffentlich. |
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06.04. | Mißglückter Bombenanschlag in der Dithmarschen Kleinstadt Wesselburen auf Gegner der Landvolkbewegung. Einer der Organisatoren, Claus Heim (der Bauerngeneral aus St.Annen in Dithmarschen) begründete bereits 1928 die Idee des Steuerboykotts. Später organisiert er Anschläge auf Landrats-und Finanzämter, ua. in Schleswig, Niebüll und Lüneburg. 1930 wird er im Großen Bombenlegerprozeß von Altona verurteilt. | |
01.05. | Schwere Unruhen in vielen Städten der Weimarer Republik. Es gibt Tote und Verletzte. In Berlin kommt es zu blutigen Straßenschlachten zwischen Demonstranten und 30000 eingesetzten Polizisten. Es gibt 9 Tote und 63 Schwerverletzte. | |
22.05. | In Norddeutschland flammt eine Serie von Attentaten auf, mit denen Bauern auf ihre finanziellen Sorgen aufmerksam zu machen suchen. Die Unruhen dauern bis zum Herbst. | |
03.06. | Bombenanschlag auf das Landesfinanzamt in Oldenburg. Der Täter gehört zum Umkreis der schleswig-holsteinischen Landvolkbewegung. |
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06.07. | Der Reichsausschuß der deutschen Landwirtschaft lehnt den Young-Plan ab. | |
01.08. | 3000 Landvolkangehörige, die den bekannten Steuerstreiker Wilhelm Hamckens bei seiner Haftentlassung empfangen wollen, stoßen in Neumünster mit bewaffneter Polizei zusammen, wobei u.a. die schwarzen Fahnen der Landvolkbewegung beschlagnahmt werden. Daraufhin ruft die Landvolkbewegung zum Boykott der Stadt auf, der erst am 21.10.1930 beendet wird. | Die schwarze Fahne der Bauern trägt einen silbernen Pflug mit rotem Schwert. Die Fahnenstange ist eine gerade geschmiedete Sense. |
20.02. | In Köln wird eine Bauernnotkundgebung veranstaltet. Sie kann als Geburtsstunde der agrarischen Einheitsfront, der Grünen Front angesehen werden. | |
01.09. | Auf das Reichstagsgebäude wird ein Bombenattentat verübt. Im Hintergrund steht der Anführer der schleswig-holsteinischen Landvolkbewegung. | Am gleichen Tag tritt der Young-Plan in Kraft. Er sieht Zahlungen der Weimarer Republik an die Siegermächte des I.Weltkrieges bis zum Jahr 1988 vor. Im Teuteburgerwald findet eine Kundgebung gegen den Youngplan statt. |
04.09 | Beginn von Notschlachtungen in Ostpommern. Als Auslöser wird die große Dürre diesen Sommers genannt. | |
Jahresübersicht 1930 | ||
05.01. | Etwa Tausend Bauern versammeln sich zum Bauernkongreß in Würzburg. | |
11.02 | Aus der Rede des Reichstagsabgeordneten Thälmann "Gegen den Youngplan": "...In der ersten Zahlungsperiode, die auf 37 Jahre bemessen ist, muß Deutschland mit den letzten Erhöhungen, die auf der zweiten Haager Konferenz hinzugekommen sind, eine durchschnittliche Summe von 2187 Millionen jährlich bezahlen..." Zu den Opfern des Youngplans "...gehören auch die Hunderttausende von Kleinbauern, die vom Industriekapital, von den Banken, vom Großgrundbesitz ausgewuchert werden. ... Wir haben ungeheuer viele Beispiele dafür, daß man ihnen, wenn sie die verlangten Steuern nicht zahlen können, das letzte Schwein, das letzte Stück Vieh und sogar das persönliche Inventar wegnimmt. Diese Tatsachen haben ja zu den bekannten Vorgängen in Schleswig-Holstein und auch im Rheinland geführt. Und wenn ein Kleinbauer Widerstand leistet, bekommt er genauso wie der kommunistische Arbeiter in den Städten den Gummiknüppel zu spüren." (9) |
(9) Ernst Thälmann, Reden und Aufsätze Band 2 (1928 - 1930) Dietz-Verlag Berlin 1956 → mehr dazu siehe hier |
28.02. | In den vergangenen 5 Monaten (!) sind 4 743 Konkurse gemeldet. (Steigerung zum Vorjahr auf 135%) | |
13.März | Der Reichstag beschließt die Annahme des Youngplanes. Gleichzeitig erfolgt im Plenum eine Lesung des Gesetzentwurfs zum Schutz der Republik und zur Befriedung des politischen Lebens (am 25.3.in Kraft). | Die Lage in der Landwirtschaft spitzt sich zu, besonders in den Gebieten Preußen und Ostpreußen, Mecklenburg. General v. Thaer-Sibyllenort schreibt "Für Ostelbien ist es drei Minuten vor Zwölf ..." |
April | Der Reichstag beschließ die Erhöhung der Zölle für Treibstoffe, dadurch steigen die Benzinpreise in der Landwirtschaft.
Gleichzeitig werden - die Umsatzsteuer erhöht, - die Steuer auf Mineralwasser, - die Biersteuer u.s.w. Eine Erhöhung der Importzölle für landwirtschaftliche Produkte schlägt auf die Lebensmittelpreise durch. |
Blutige Auseinandersetzungen zwischen kommunistischen Demonstranten und der Polizei in Leipzig. Dabei werden Demonstranten und Polizisten getötet. |
14.05. | Verhängung des Ausnahmezustandes über Germersheim. Eine Protestaktion von über 4000 pfälzischen Weinbauern gegen ein Gerichtsurteil wegen verbotswidrigem Anbau von Hybridenreben sorgt für Unruhen. | |
Juni | Das Reichskabinet beschließt : - Erhöhung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung, - "Reform" der Krankenversicherung durch Einschränkung der Leistungen, - den Verkauf von Aktien (Teilprivatisierung) der Reichsbahn , eine Tariferhöhung für den Frachtverkehr |
Deutsche Arbeitslose werden in andere Länder vermittelt. Die Ansprüche auf Arbeitslosengeld werden gesenkt. Auf eine offene Stelle entfallen 22 Bewerber (1929 : 9 Bewerber) |
01.06. | Hitler beauftragt Walter Darre mit der Organisation des Bauerntums. Damit beginnt die Existenz des Agrarpolitischen Apparats der NSDAP. |
Stichwörter
Begriff | Bemerkungen / Links |
Agrarkrise | (allgem. periodische) Überproduktionskrise in der Landwirtschaft, tritt oft im Zusammenhang mit industriellen
Krisen auf. Eine Verminderung der Kaufkraft der Bevölkerung schränkt die Nachfrage nach landwirtschaftlichen
Produkten ein. Da Klein- und Mittelbauern engagiert und tapfer um die Erhaltung ihrer Existenz als Bodeneigentümer kämpfen
und daher durch eigene höhere Arbeitsintensität die Produktion steigern ohne ihre Erzeugnisse besser absetzen zu können,
schließlich zu Preisen verkaufen müssen, die unter den Selbstkosten liegen, tendieren ihre Wirtschaften
in den finanziellen Ruin. Agrarkrisen verlaufen meist langwieriger als industrielle Krisen.
Siehe auch → Universallexikon Die Agrarkrise in der Weimarer Republik, deren Auswirkungen ab 1927 extrem spürbar wurden, stand zum einen im Zusammenhang mit den beginnenden Überproduktionen in den USA (seit etwa 1922), mit der starken nahezu unkontrollierten Ausweitung des internationalen Finanzsektors und der extremen Investitionsschwäche in der deutschen Landwirtschaft nach dem I. Weltkrieg. |
Bodenreform |
Die Durchführung der Bodenreform erfolgte über Kommissionen, denen insgesamt 52292 Landarbeiter, Kleinbauern,
Umsiedler und Arbeiter angehörten. Enteignet wurden der Großgrundbesitz (über 100 ha) und der Besitz von
Kriegsverbrechern. Die Aktion ab September 1945 diente der Errichtung neuer Bauernstellen für Landarbeiter und Umsiedler,
der Bodenzuteilung für Kleinbauern und Pächter sowie der Einrichtung von Saatgut-, Tierzucht- und Forschungseinrichtungen.
Ausgenommen von der Bodenaufteilung war der Grundbesitz von Städten und Gemeinden, von Kirchen, Schulen und
Genossenschaften. Aus dem staatlichen Bodenfond wurden 2 189 999 ha verteilt. Das
vergebene Land durfte nicht geteilt, verkauft, verpachtet oder verpfändet werden. Die Planungen für die Bodenreform beruhten auf Programmen der KPD. Insbesondere wurden die historischen Ergebnisse der → Preußischen Reformen Anfang des 19. Jahrhunderts und die Erfahrungen aus der Zeit der Weimarer Republik berücksichtigt. Die entschädigungslose Enteignung der Großgrundbesitzer und die Bodenverteilung an mehr als 348 000 Bauern und über 210 000 sog. Neubauern sicherte den Lebensmittelbedarf in der sowjetischen Besatzungszone nach Kriegsende, da vom Ausland 1945 keine Hilfen zu erwarten waren. (14 S.374-376) Arno Mohr Landaufteilung 1945 (8)
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Rediskontieren | Weiterverkauf von (z.B. durch Privatbanken) angekauften Wechseln (von Privat-Kunden) an z.B. (staatliche) Banken. Private Geschäftsbanken sichern sich so auf schnellem Wege wieder Liquidität (z.B. durch den Staat). (Siehe auch: Golddiskontbank) → Finanzlexikon |
Repudiation der Mark | (eigentl.: Verwerfung, Verschmähung) allgem. wirtschaftl.: Verweigerung der Annahme von Geld wegen seiner geringer Kaufkraft. Zitat Schacht: Im laufe des Juli 1923 stieg der Dollar von 160000 Mark auf 1100000 Mark. Mit dieser Entwicklung begann die Erscheinung der Repudiation der Mark, ... die Verkäufer verweigerten die Annahme von Mark... aus der Währungskatastrophe entwickelte sich eine Versorgungskatastrophe... Plünderungen und Revolten waren an der Tagesordnung...(4 S.52) |
Golddiskontbank | Im April 1924 erhielt die Golddiskontbank (Mitbegründer Hjalmar Schacht) Rediskontkredite in Höhe von 25 000 000 $ in New York und 5 000 000 £ in London. (11 S.27) |
Ostpreußenhilfe bis 1930 | Bis Ende 1930 wurde eine sogenannte Ostpreußenhilfe beschlossen, die einen Umfang von 100 Millionen Reichsmark erreichte. Interessant dabei ist die Aufteilung der Finanzmittel. Die größten Summen erhielten ausgerechnet die Großgrundbesitzer, am wenigsten erhielten die Kleinbauern. |
Landvolkbewegung | Protestbewegung der seit 1927/1928 in Schleswig-Holstein von der Agrarkrise am stärksten betroffenen Bauern, die sich mit den Mitteln des passiven Widerstandes und des Boykotts, mit Demonstrationen ( über 100 000 Teilnehmer), aber auch mit anarchistischen Sprengstoffanschlägen (vor allem auf Finanzämter und Regierungsgebäude) gegen die Auswirkungen der Agrarpolitik der Reichsregierung zu schützen suchten. Ausdruck ihres Protestes stellte ihre schwarze Sensenfahne dar. Die Landvolkbewegung vermochte keine stabile Organisation aufzubauen. Die schweren politischen Fehler der Parteien in der Weimarer Republik führten dazu, das eine große Zahl der Bauern sich nach 1930 den Nationalsozialisten anschlossen. (14 Bd.2 S.12-13) |
Zeitgenossen
Name | Notizen / Links |
Wilhelm Hamkens | (1896-1955) aus Tetenbüll, spaltet sich in einen politischen Flügel ab, der mehrheitlich die Ziele der NSDAP unterstützte. → Wikipedia |
Claus Heim | Bauer aus St. Annen. Führte eine Gruppierung innerhalb der Landvolkbewegung, die jede Verbindung mit politischen Parteien ablehnte. → Drei Briefe |
Walter Muthmann | Fahnenträger, Diplomlandwirt → Die revoltierenden Bauern ein Stadtboykott gegen Neumünster aus, nachdem auf einer Bauerndemonstration ihr Fahnenträger schwer verletzt worden war. Muthmann emigrierte nach Schweden. Nach seiner Rückkehr wurde er für einige Wochen inhaftiert. |
Hans Fallada | (1893-1947 eigentl. Rudolf Wilhelm Friedrich Ditzen) Schriftsteller, schrieb Bauern, Bonzen und Bomben (Berlin, Rowohlt 1931) → Wikipedia |
Otto Johannsen | → Schleswig-Holstein Ereignisse 1918–1933 |
Bruno von Salomon | (1900-1952) Kommunist, Spanienkämpfer Redakteur des Wochenblattes Die deutsche Front in Hamburg-Blankenese. 1929 für kurze Zeit Chefredakteur des Agitationsblattes Das Landvolk aus Itzehoe. In den Bombenlegerprozessen von 1930 wurde er aus Mangel an Beweisen freigesprochen. Schrieb den Roman Die Stadt. |
Bodo Uhse | schrieb als Zeitzeuge das Buch Söldner und Soldat (Carrefour, Paris 1935). |
Adolf Münzinger | (1876-1962) Deutscher Agrarökonom und langjähriger Rektor der Landwirtschaftlichen Hochschule Hohenheim.
Verfasser vieler Werke über die Landwirtschaft, verband darin u.a. seine Erfahrungen aus Großbetrieben
mit der Problematik der kleinbäuerlichen Landwirtschaft. Forderte, das die körperliche Arbeitszeit und
Arbeitsenergie der bäuerlichen Familie unbedingt herabgesetzt werden müsse, insbesondere bei den
Frauen der Bauern. → Der Arbeitstag der Bauernfamilie |
Bankiers und Spekulanten
Name | Bemerkungen / Hinweise / Literatur |
Hjalmar Schacht | Unterhielt enge Verbindungen zu Finanziers aus den USA
(seit 1905 mit John Pierpont Morgen persönlich (10 S.93)) und
betrieb die Dawesierung der Weimarer Republik.
1923 beteiligt an der Einführung der Rentenmark.
Aufsichtsratsvorsitzender der auf seinen Vorschlag 1924 zur Unterstützung der Konvertibilität der Reichsmark
gegründeten Deutschen Golddiskontbank.
Nahm 1924 an den Beratungen für Reparationsfragen sowie an der Londoner Konferenz teil und wirkte mit
an der Dawes-Anleihe.
1929 Leiter der Delegation zur Reparations-Sachverständigenkonferenz in Paris.
Hitler machte Schacht 1933 zum Präsidenten der Reichsbank. Schacht wurde 1946 im
Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozess freigesprochen.
1953 gründete Schacht in Düsseldorf die Deutsche Außenhandelsbank Schacht und Co., die er bis 1963 vertrat.
In den Fünfziger- und Sechzigerjahren auch tätig als finanzpolitischer Berater u.a. in Brasilien.
Zitat Schacht: "Ohne die überragende geistige und moralische Führung der Bank von England, die mir in engem Zusammenarbeiten mit der New Yorker Firma J.P.Morgan & Co. nachdrücklichste Unterstützung zuteil werden ließ,wäre es wohl kaum gelungen, das schwierige Werk so rasch zustande zu bringen. Auch die in Belgien, Frankreich und Italien herrschende Inflation verursachte hinsichtlich der Beteiligung dieser Länder Schwierigkeiten." (4 S.140) |
Seymour Parker Gilbert | In der Weimarer Republik von Oktober 1924 bis Mai 1930 tätig, ab 1931 direkt bei JP Morgan. Sein Sohn in den 1980er Jahren bis 1990 im Vorsitz bei Morgan Stanley. |
Owen Delano Young | Vorsitzender im Aufsichtsrat von General Electric, glänzende Beziehungen zum Bankhaus J.P.Morgan & Co. Direktor der Federal Reserve, Mitglied des von Dawes geleiteten Sachverständigenauschusses zur Neuregelung der Reparationsschulden |
Max Warburg | Bankier, befürwortete 1922 auf der Versammlung des Reichsverbandes der Deutschen Industrie (Mai 1922) die Anwendung der Inflation. Ein Jahr später trat die Hyperinlation ein. (10 S.163) |
Literaturangaben
Bauernunruhen in der Weimarer Republik | ||
(1) | Deutsche Geschichte Band 3 von 1917 bis zur Gegenwart, VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin 1968 S. 65 | |
(2) | Ich Thomas Müntzer eyn Knecht gottes Henschelverlag Kunst und Gesellschaft DDR Berlin 1989 S.174 Historisch-biographische Ausstellung des Museums für Deutsche Geschichte Berlin 8.12.1989 - 28.2.1990 |
Notgeld der Stadt Mühlhausen Schein D der Bauernkriegsserie 50 Pfennig 1921 Entwurf: Karl Ulrich |
(3) | Ich Thomas Müntzer eyn Knecht gottes Henschelverlag Kunst und Gesellschaft DDR Berlin 1989 S.174 Historisch-biographische Ausstellung des Museums für Deutsche Geschichte Berlin 8.12.1989 - 28.2.1990 |
Münzer-Notgeld der Stadt Frankenhausen Fünfter Serienschein Nr. 14057 50 Pfennig 1921 Entwurf: Walter Hegeümunburg |
(4) | Schacht, Hjalmar Die Stabilisierung der Mark Deutsche Verlags-Anstalt Stuttgart Berlin und Leipzig 1928 |
S.55: Zitat Max Warburg |
(5) | Ich Thomas Müntzer eyn Knecht gottes Henschelverlag Kunst und Gesellschaft DDR Berlin 1989 S.175 Historisch-biographische Ausstellung des Museums für Deutsche Geschichte Berlin 8.12.1989 - 28.2.1990 |
Plakat der KPD zu den Feierlichkeiten anläßlich des Thomas-Müntzer-Tages in Gera 1925 |
(6) | Bernhard Klett Thomas Müntzer und der Bauernkrieg in Nordwest-Thüringen Urquell-Verlag Erich Röth Mühlhausen in Thüringen 1925 |
Abbildung zwischen S.40 und 41 Mühlhäuser Notgeld Karl Ullrich |
(7) | Bernhard Klett Thomas Müntzer und der Bauernkrieg in Nordwest-Thüringen Urquell-Verlag Erich Röth Mühlhausen in Thüringen 1925 |
Abbildung zwischen S.32 und 33 Mühlhäuser Notgeld - Vorderansicht Karl Ullrich |
(8) | Arno Mohr Landaufteilung 1945 (von 1949) | dsl.net/steinholzklotz |
(9) | Ernst Thälmann Reden und Aufsätze Band 2 November 1928 bis September 1930 Dietz Verlag Berlin 1956 S.150 ff. |
Internet: www.marxistische-bibliothek.de/thaelmannn_band2.pdf Gegen den Youngplan Rede im Reichstag 11. Februar 1930 hier |
(10) | Kurt Gossweiler, Großbanken Industriemonopole Staat - Ökonomie und Politik des staatsmonopolistischen Kapitalismus in Deutschland 1914-1932, VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin 1971 | |
(11) | Jürgen Kuczynski, Geschichte des Alltags des deutschen Volkes - Studien 5 (1918-1945), Akademieverlag Berlin 1983 | |
(12) | Adolf Münzinger, Der Arbeitstag der bäuerlichen Familienwirtschaft, 2.Bd. Berlin 1929 | |
(13) | Christoph Eisenring, Der Traktor als verkannte Wohlstandsmaschine, Neue Zürcher Zeitung 4.5.2012 S.10 mit Hinweis auf: Richard H. Steckel, William J. White, Farm Tractors and Twentieth-Century U.S. Economic Welfare |
Richard H. Steckel, William J. White, Farm Tractors and Twentieth-Century U.S. Economic Welfare → nber.org |
(14) | Sachwörterbuch der Geschichte Deutschlands und der deutschen Arbeiterbewegung Bd.1 Dietz Verlag Berlin 1969 | |
(-) | Handelsblatt, Internet am 12.3.2015 | → Verbindung zu Morgan |
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Notizen über Bauernrevolten / Hans Holger Lorenz / begonnen 11.November 2008 / Stand: 19. Januar 2016