Je größer der zeitliche Abstand zu einem historischen Ereignis wächst,
desto unangefochtener und dichter kann man an die Wahrheit gelangen. Jeder politische Druck,
eine Darstellung der Ereignisse in eine bestimmte Richtung zu lenken,
verringert sich mit den Jahrhunderten. Die Ereignisse, von denen hier die Rede sein soll,
liegen fast vierhundert Jahre zurück.
Modell einer zeitgenössischen Werft
Inzwischen hat sich der Wirkungsbereich für Vasa-Effekte wesentlich erweitert, sehr anschaulich im Eisenbahnbau des
neunzehnten Jahrhunderts und im Flugzeugbau des zwanzigsten Jahrhunderts. Weitere Bereiche sind durchaus in der Raumfahrt denkbar
und bei der Anwendung elektronischer Steuerungen auf allen technischen Gebieten. Klassische Beispiele für den Vasa-Effekt
werden vermutlich die Entwicklungen in der Energiewende liefern. Der Blackout in Indien vom 31. Juli 2012
(siehe unten) statuierte ein deutliches Exempel. |
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Die Untersuchungsvorgänge nach dem Untergang des Schiffes geben ungewollt das Vorbild ab für die Vorgehensweisen nach ähnlichen Katastrophen in den folgenden Jahrhunderten und insbesondere im 20. Jahrhundert. Der Trend zur Ausflucht auf angeblich objektive Ursachen der Katastrophen ist deutlich erkennbar. Verantwortlichkeiten werden zunehmend unsichtbar in den komplizierten Entscheidungsebenen, und ebenso wie im alten Schweden gewollt oder ungewollt wurden die maßgeblichen Verursacher auf immer höherer Ebene geschützt. Erkennbare administrative Druckmittel, die zu einem Vasa-Effekt führten:
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offene Luken der beiden
übereinanderliegenden Kanonendecks der Vasa |
Beispiele für den Vasa-Effekt | ||
1 | Vasa-Untergang 1628 | Am 10. August 1628 sank das Kriegsschiff Vasa im Stockholmer Hafen - dem Tag, an dem es seine Jungfernfahrt antreten sollte. Noch während der Produktion wurden die Baupläne zum Einzug eines zweiten Kanonendecks geändert. Bei einem Stabilitätstest mußte der Versuch vorzeitig abgebrochen werden, da große Risiken zum Kentern offensichtlich wurden. Gustav Adolf befahl trotzdem die Fertigstellung des Prestigeobjekts. Die rechtlichen Untersuchungen konnten keine schuldigen Verursacher feststellen. |
2 | Challanger 1986 | Am 28. Januar 1986 hob die Raumfähre Challenger bei einer ungewöhnlich niedrigen Außentemperatur ab. Die NASA hatte sich für den Start entschieden, obwohl Ingenieure vor einem Start bei Temperaturen unter 12 °C eindringlich gewarnt hatten. Das Management gab offizielle Startfreigabe. Sekunden nach dem Start in 15 Kilometern Höhe explodierte das Shuttle. Die sieben Astronauten überlebten die Katastrophe nicht. ⇒ Wikipedia |
3 | Flugzeugkollision von Überlingen 2002 |
Am 1. Juli 2002 stießen zwei Flugzeuge bei Überlingen in der Luft zusammen, stürzten ab und alle 71 Insassen, darunter
49 Kinder kamen ums Leben. Die Kreuzung der Flugrouten wurde nicht festgehalten. Der Pilot der einen Maschine bat aus Gründen der
Treibstoffeinsparung um Flughöhenveränderung. Ein Fluglotse war mit einem dritten Flieger beschäftigt. Die Radaranlagen der beiden
betroffenen Maschinen zeigten zwar die Gefahr der Annäherung, diese Meldungen wurden jedoch nicht richtig interpretiert.
Ein parallel wirkendes sicheres Informationssystem blieb wegen Wartungarbeiten ausgeschaltet, ein Ersatzsystem nicht eingerichtet.
Luftverkehrsrechtlich waren Zuständigkeiten nicht eindeutig geregelt.
Die Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung kritisiert u.a. den privaten Betreiber einer Flugsicherungsfirma. Dieser hatte seit
Jahren hingenommen, dass während der verkehrsarmen Nachtstunden nur ein einzelner Lotse Dienst tat.
⇒ Wikipedia Es sei hier darauf hingewiesen, das Streiks von Fluglotsen immer wieder stärkere Personalbesetzungen und den Einsatz fachtechnisch qualifizierter Vorgesetzte fordern. |
4 | Größter Stromausfall in der Geschichte Juli 2012 |
Der größte Stromausfall in der menschlichen Geschichte ist bisher der Zusammenbruch der Energieversorgung in Indien
am 31. Juli 20012. Zuerst fielen die Netze im Norden, Osten und Nordosten des Landes aus. Schließlich betraf er 600 Millionen Menschen in
12 der 35 indischen Bundesstaaten und Unionsterritorien sowie die Hauptstadt Neu Delhi.
Hunderte Züge blieben stehen. In Neu Delhi wurde der Betrieb der Metro unterbrochen, Züge wurden evakuiert.
Krankenhäuser, Geschäfte und Büros mussten Notfallgeneratoren anstellen. Nordwestlich von Kalkutta
saßen Bergleute der Eastern Coalfields unter Tage fest. Zuerst war das Netz in Nordindien zusammengebrochen, was zu einem der schwersten Stromausfälle seit zehn Jahren führte. Als das Netz einen Tag später erneut versagte, brach auch das Netz im Osten des Landes zusammen. Die Netze sind veraltet und oft überlastet. Das indische Energieministerium machte einige Bundesstaaten für diese Überlastung der Netze verantwortlich. Diese hätten mehr Strom abgerufen als ihnen zustehe. Der neuerliche Stromausfall brachte die Regierung in Bedrängnis. Vertreter der Industrie riefen eindringlich zur Reformierung der unzulänglichen Energieversorgung auf, zu lange schon sei das Problem bekannt. Besonders in den heißen Sommermonaten, in denen der Stromverbrauch deutlich ansteigt, kommt es immer wieder zu Engpässen und kurzen Ausfällen. Krankenhäuser, Flughäfen, Hotels und viele Privatleute, die es sich leisten können, haben sich darauf eingestellt Ersatz-Generatoren angeschafft. ⇒ zeit online am 31.07.2012 ⇒ Frankfurter Rundschau 01.08.2012 |
5 | Brückeneinsturz Florida 2018 |
Eine 950 t schwere Brücke fiel in vollständiger Länge (53 m) auf eine darunterliegende dicht befahrenen Straße. Dabei begrub sie mehrere Autos unter sich. Zur Unglücksursache gibt es noch keine Angaben (24.03.18), eine Untersuchung ist angekündigt. Die Baukosten betrugen 14 Millionen $. Die Brücke sollte erst Anfang 2019 offiziell für Fußgänger freigegeben werden. Beim Einsturz starben sechs Menschen, mehrere wurden verletzt. Einer der zuständigen Ingenieure habe zwei Tage vor dem Unglück Mitarbeiter der zuständigen Baubehörde über problematische Beobachtungen informieren wollen oder können. Darüber herrscht Unklarheit. Quellen: ⇒ spiegel am 17.03.2018 ⇒ kurier at am 18.03.2018. |
Verbindungen | ||
Gustav Wasa I. | schwedisch: Gustav Erikson Vasa. Schwedischer König von 1523 bis 1560. Der Begründer der königlichen Wasa-Dynastie beendete die Kalmarer Union. 1522 kaufte er von der Hansestadt Lübeck eine Anzahl von Schiffen, mit denen die Geschichte der Schwedischen Marine beginnt. Im Dynastie-Wappen führte Gustav Wasa I. ein Getreidebündel. Tatsächlich aber ließ er den Bauernaufstand des legendären Nils Dacke 1543 blutig niederschlagen. |
⇒ Gustav I. in Wikipedia ⇒ Gustav I. in der Vasaorder |
Gustav II. Adolf | von 1611 bis 1632 König von Schweden; führte eine Heeresreform durch und ließ die Schwedische Flotte zu einer mächtigen Kriegsmacht
im Ostseeraum ausbauen. Eines ihrer stärksten und schönsten Schiffe sollte die Vasa werden. Durch Mißachtung physikalischer Stabilitätseigenschaften sank das Schiff bereits bei der Jungfernfahrt. |
⇒ Gustav Adolf in Wikipedia |
Henrik Hybertsson | (auch: Hendrik Hubertsen) Konstrukteur der Vasa, gestorben während der Bauarbeiten 1627. Sein Bruder Arendt setzte die Arbeit fort, kannte aber vermutlich nicht die Pläne von Anfang an. | |
Carl Carlsson Gyllenhielm | Admiral, bekam vom König Gustav II. Adolf (1624 ?) den Auftrag zum Flottenausbau. | |
Claes Fleming | Vice-Admiral, arbeitete gemeinsam mit Gyllenhielm und Hybertsson am Flottenausbauprogramm des Königs. |
(1) | Getreidebündel im Wappen der Vasas Wappendarstellung am Rumpf des 1628 gesunkenen Vasa-Schiffes © Hans Holger Lorenz (2011) |
(2) | Modell der Vasa im Vasa-Museum Stockholm © Hans Holger Lorenz (2011) |
(3) | Modell der zeitgenössischen Werft © Hans Holger Lorenz (2011) |
(4) | offene Luken der zwei übereinanderliegenden Kanonendecks © Hans Holger Lorenz (2011) |
weiterführende Links | |
Vasa-Museum Stockholm | ⇒ www.vasamuseet.se |
Historische Schiffsmodelle in modellships.de | Bilder von der ⇒ Wasa |
Notizen zum Vasaeffekt ♠ Dipl.Ing. Hans Holger Lorenz ♠ begonnen: November 2013 ♠ vorl. Änderung: 10.02.2018 ♠ Stand: 29.03.2023