Die Unterweisung im Pflügen
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François-André Vincent
Die Unterweisung im Pflügen
Studie zum Gemälde Die Landwirtschaft 1797/1798
Staatliche Kunsthalle Karlsruhe
Gemälde Papier auf Leinwand, Kreide, Ölfarbe, Quadrierung
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Also gemütlich sieht der Bauer nicht aus, bei dem der junge Stadtbursche das Arbeiten lernen will.
Er weist die Richtung während das Jüngelchen aus der Stadt sein dünnes Ärmchen besitzergreifend
auf den Pflug stützt.
Vielleicht denkt sich der kräftige Dorfmensch Mal sehen, was draus wird?, vielleicht
meint er es gut, weil wenigstens einer den harten Beruf des Landwirts praktisch
ausprobieren möchte. Der gute Wille soll zählen. Den scheint der Junge offenbar zu haben. Der greift zielstrebig nach
der Peitsche, um die Tiere antreiben zu können, die auf dieser Studie noch fehlen.
Gleich beginnt die Arbeit...
Das Bild gibt über das bevorstehende Ergebnis keine Auskunft, aber zum Beispiel darüber,
das die feinen Schuhe des Städters es wohl nicht
überstehen werden, während dessen der Bauer barfuß bleibt.
Es ist eine Studie! Ihre Randzeichen weisen auf die Quadrierung des Entwurfs hin, der Maler hat noch mehr
damit vor. Rechts oben zeichnet sich die Bleistiftlinie ab für eine Gestalt, die dem Vorgang zuschauen
möchte.
Francois-Andre Vincent malte, ehrlich gesagt, viele Historienschinken. Diese aber gekonnt, sonst
wäre er nicht Hofmaler des französischen Königs geworden. Künstler mussten zu jener
Zeit zuerst den Beweis bringen, das sie ihr Handwerk beherrschten. Dazu dienten
die Prüfungen in der königlichen Akademie. Der Aufklärer Diderot beschrieb die Stimmung, die
im für Vincent wichtigem Jahr 1768 an diesem Institut herrschte. Die Studenten waren keineswegs friedlich. Es gab
Streit und wilde Auseinandersetzungen.
Mit der Auswahl Francois-Andre Vincent für den Preis in Malerei waren jedoch alle einverstanden.
Diderot schrieb:
» Der Malerpreis wurde einem jungen Mann namens Vincent zuerkannt. Sofort kam
es zu stürmischen Beifallskundgebungen. In der Tat war das wahre Verdienst belohnt worden.
Der Sieger wurde auf den Schultern seiner Kameraden um den Platz herum getragen und dann, nach dem er
die Ehren einer derartigen Ovation genossen hatte, vor dem Institut abgesetzt. Das ist ein feierlicher Brauch,
der mir gefällt. « [DD 213]
In einem Fall hat Vincent sein Sujet geändert. Um 1790 entschied er sich anstelle schwertschwingender Römer und
religiöser Tattergreise, statt schöner Frauen und steifer
Aristokraten den arbeitenden Bauern zu malen. Er hatte dabei noch einiges mehr vor. Mit seiner Skizze plante er
ein großes Gemälde, das er Die Landwirtschaft nennen wollte.
Herausgekommen ist eine Zustandsbeschreibung der Unterschiede zwischen Stadt und Land.
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Francois-Andre Vincent Die Unterweisung im Pflügen (1798) [The Ploughing Lesson]
Musée des Beaux-Arts de Bordeau Ausgestellt im Salon von 1798
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Das Bild spricht für sich selbst. Es könnte von heute sein. Es stellt hintergründig die Frage:
Wieviel versteht ein Städter von der Landwirtschaft? Die Frage ist aktuell.
Die städtische Familie, die zu einem Spaziergang aus der Stadt hinaus auf die Felder wanderte,
trifft zufällig auf den Bauern. Sie ist gutwillig, der Vater hört ebenso interessiert den Erläuterungen
des Landwirts zu
wie sein Sohn, der sich kurzerhand zum Pflügen entschlossen hat. Aber der Abstand zwischen
Städter und Bauer ist deutlich, nicht nur in der Kleidung.
Andererseits ist dieses Bild bereits Geschichte. Gegenwärtig »erklären« die Städter den Bauern, wie sie
zu arbeiten haben. Vermutlich sind sie dabei genauso unwissend, wie jene kleinbürgerliche
Familie, die der Maler Vincent noch halbwegs liebevoll darstellte. Aber die modernen Stadtbewohner sind heutzutage in der Mehrzahl.
Im damaligen Frankreich stellten Bauern den grössten Anteil an der Bevölkerung.
In gewisser Analogie zur Philosophie wird Kunst direkt oder indirekt die Zeit, in der sie entsteht, anschaulich machen.
Wir können heute die Konflikte der damaligen Zeit durchaus den alten Bildern ablesen. In
wieweit die abstrakte Moderne den heutigen Stadt-Land-Konflikt darstellt, und zwar so, das wir ihn
auch verstehen und durchdenken dürfen, muss sich erst noch herausstellen. Das der Konflikt an
Schärfe zunimmt, ist zu vermuten.
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Lebensdaten François-André Vincent
1746 geboren in Paris
1762 kommt als Schüler in das Atelier von Joseph-Marie Vien
1766 zweiter Preis des Grand Prix für das Ölgemälde Königin Thomyris mit dem abgeschlagenen Haupt des Cyrus
1768 Prix de Rome für Germanicus, den Aufruhr in seinem Lager dämpfend
1771 Weiterbildung bei Charles-Joseph Natoire
1775 Reise nach Italien in Rom in der Villa Mancini (Aufnahme in der dortigen Académie de France)
1790 Hofmaler Ludwig XVI.
1792 Professor an der Académie royale de peinture et de sculpture
1797 Studie Die Unterweisung im Pflügen für das geplante Gemälde Die Landwirtschaft
1800 Heirat der Lebensgefährtin ⇒ Adélaïde Labille-Guiard
1816 Tod in Paris, seine letzte Ruhestätte Friedhof Père Lachaise
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Literatur und Quellen |
DD |
Denis Diderot, Ästhetische Schriften Zweiter Band, Aufbau-Verlag Berlin und Weimar 1967, Abschnitt: Die zwei Akademien S. 213, 217 u. 791 |
AGdK |
Allgemeine Geschichte der Kunst Band V Die Kunst des 17. und 18. Jahrhunderts, E.A. Seemann • Buch- und Kunstverlag Leipzig 1966, S. 347 |
ergänzende Hinweise |
Denis Diderot |
[DD 213] Diderot berichtete an Falconet über die Akademie in Paris.
Diderot charakterisiert darin auch die Schwächen des Wettbewerbs an der Akademie:
"Und wenn der Wettbewerb auch dem Irrtum und der Ungerechtigkeit unterworfen ist,
doch nie so sehr, daß man den Mann von Genie ausschließt und einem ausgemachten Dummkopf den Vorzug
vor einem tüchtigen Mann gibt. Es gibt ein Schamgefühl, das davor bewahrt." [DD 217] |
Falconet, Etienne-Maurice (1704-1778) Bildhauer |
Wikipedia franz. ⇒ Falconet |
Notizen Bauernkriege / Hans Holger Lorenz / 06.11.2020
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