Der Telangana-Aufstand
im indischen Feudalstaat Hyderabad
1946 bis 1951
I.Vorgeschichte ♦
I.Phase I ♦
II.Phase II ♦
III.distress gold ♦
IV.Zeittabelle ♦
V.Namen ♦
VI. Anhang
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Ohne das die Welt Kenntnis davon erhielt fand der größte Bauernaufstand der modernen indischen Geschichte statt. Die Berichte der britischen Kolonialmacht erwähnten ihn kaum. Das erklärt auch die verbreitete Historikerposition, in Indien habe es keine Bauernaufstände gegeben. Auch um die vier Millionen Inder, die in den Jahren 1943 bis 1946 Hungersnöten zum Opfer fielen, machte man kein Aufheben. (L1) Die Welt war mit Weltkrieg beschäftigt. Niemand ahnte am 4. Juli 1946, das der spontane Widerstand einer kleinen Gruppe aufmüpfiger Bauern gegen bezahlte Schläger eines Provinzadligen zum Bauernkrieg ausartete. Der dehnte sich über ein Gebiet von 40 000 km2 aus. Drei Millionen Bauern beseitigten ein völlig überaltertes feudales Fürstensystem. Fast ausschließlich von Analphabeten geführt konnten jene tapferen Rebellen ihre Ansichten für die späteren Zeiten nicht aufschreiben. Den Aufständischen blieb dafür auch zu wenig Zeit obwohl die Kämpfe über fünf Jahre andauerten.
Vorgeschichte
Phase 1 des Aufstandes
Phase 2 des Aufstandes Fußnoten:
[F 1] Zu dieser völlig überlebten Sklavenarbeit finden sich nur wenige Angaben. Es gibt aber Hinweise darauf, das auch in der Gegenwart Überbleibsel dieser Ausbeutungsform existieren. In der herrschenden Political Correctness fehlen eindeutig ablehnende Hinweis auf die Zuordnung von Menschen in den Stand von Unberührbaren. Historiker sprachen noch um 2000 nur von einer Semi-Sklaverei.
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distress gold - Der Weg des Goldes (kleines Lehrstück über Devisen-Kurse) |
Die Wegbeschreibung des Goldes von Indien nach England beginnt man besser mit dem Silber. Ab 1835 galt in Britisch Indien die vom Mogul-Reich übernommene Silberrupie. Silber blieb Zahlungsmittel für die Steuerabgaben und die Briten liebten neben dem Gold auch Silber. London, auch Zentrum weltweiten Silberhandels, bevorzugte zugleich billiges aus Indien importiertes Getreide. Nun stieg ab 1876 die Silberproduktion in Amerika und damit fiel der Handels-Kurs der Silberrupie. In Europa begann man mit der Ausgabe von Papiergeldmengen und konnte so Silber aus Währungen eliminieren. Mit den gewonnenen Silber-Überbeständen bezahlte man billiges Getreide aus Indien. In Indien selbst stieg die Inflation und mit ihr die inneren Agrarpreise. Während also für Silber viel indischer Weizen im Ausland verkauft werden konnte, stürzten durch Überangebot die Weltmarktpreise für Weizen. England brauchte billiges Getreide u.a. um die Löhne der englischen Arbeiter niedrig halten zu können. Zugleich bot Indien billiges Getreide der Welt an und stützte gegen den Trend den Weltmarktpreis für Silber. Freiwillig oder nicht freiwillig?
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IV. Zeittafel | |
Jahr | Ereignisse |
1946 | Jan.: Gehorsamsverweigerung indischer Militärflieger.(L1 S. 1055) 18.-23. Febr. Meuterei der indischen Kriegsflotte und Generalstreik in Bombay. Weitere Gehorsamsverweigerung indischer Truppen. (L1 S. 1055) 12. Mai Die Regierung in England versucht den Unruhen in Indien durch einen Vorschlag der Bildung einer indischen und muslimischen Zone zu begegnen. (L1 S. 1055) (⇒ Mission Lord Pathick Lawrence) Die Strategie von Teile und Herrsche sollte sich erst später offenbaren. Ab Juni beginnen Bauernrevolten und Bauernaufstände in Bengalen, Hyderabad und Maharashtra. (L1 S. 1055) |
1947 | 20. Febr. Die englische Regierung kündigt die Übergabe der Macht an die Inder an mit Beginn Juni 1948. (L1 S. 1055)
März Zusammenstöße zwischen Hindus und Moslems. (L1 S. 1055) 8. Juni Der sogen. Mountbattenplan legt die Teilung Indiens fest. Fürstenstaaten im brit.ind. Kolonialreich (damit auch Hyderabad) sollen später extra Festlegungen erhalten. Neue Progrome, im Punschab werden dabei 500 000 Menschen ermordet. Insgesamt werden 12 Mio Inder obdachlos. (L1 S. 1055) 15. Aug. Vollendung der Teilung Indiens in die Dominien Pakistan und Indien.(L1 S. 1055) 15. Aug. Gesetz über die Unabhängigkeit Indiens. Generalgouverneur des unabhängigen Indiens wird der Brite ⇒ Lord Mountbatten. (L1 S. 1055) Indien ist seit 1947 Mitglied des Commonwealth of Nations, deren Oberhaupt ist die Englische Königin. |
1948 | September Höhepunkt des Bauernaufstandes in Telangana.(L1 S. 1055)
5. Sept. Einmarsch indischer Truppen in Telangana. |
1953 | Agrarreformen |
V. Namen bedeutender Persönlichkeiten | |
A. Ramachandra Reddy | Siehe: ⇒ wiki/V. Ramachandra Reddy |
Romesh Chandra Dutt | (1848-1909) Dutt veröffentlichte die erste akademische Studie über die Armut der Bauern in Indien (Bengalen) im Jahr 1896. Er schrieb auch die erste Geschichte über Britisch Indien (1908) aus indischer Sicht. [L2 S.200-201] |
William Jones | (1746-1794) Orientalist, studierte Latein, Griechisch, Hebräisch, Arabisch und Persisch in Oxford. Sudierte als Richter in Kalkutta Sanskrit. Benutzte seine Kenntnisse, um Gesetzbücher getrennt für Hindus und Muslime aufzustellen. [L2 S.194-195]. Jahrzehnte später entstand in der neuaufsteigenden Mittelschicht Indiens eine schleichende Opposition zwischen Hindus und Muslimen. Hindus und Muslime bildeten jeweils getrennte Gesetze und Kulturen. »Legale Richtlinien auf religiöser Basis zu definieren entsprach britischen Ideen von der Trennung des Christentums von Islam und Hinduismus, außerdenm erhielt man so eine Schablone für eine multikulturelle Vereinheitlichung kultureller Differenz.« [L2 S.191] Diese Prinzipien wurden bürokratisch auf ganz Britisch Indien angewendet und so wurde beispielsweise das Kastenwesen neu in rechtliche und administrative Kategorien der Staatseinrichtungen integriert und blieb erhalten. |
Motilal Nehru | Mitbegründer des All-India National Congress. Diese Kongresspartei (heute INC) wurde von Briten mit indischen Hindus und Muslimen 1885 gegründet. Motilal stammte aus einer Brahmanenfamilie aus dem Kaschmir, er absolvierte eine indische Universität, die von den Kolonialherren errichtet wurde, um eine nationale Oberschicht auszubilden, die zur kolaborierenden Mitarbeit in der kolonialen Verwaltung fähig und bereit war. Vater des ⇒ Pandit Jawaharlal Nehru. |
Dadabahai Naorojii | (1825-1917) indischer Mathematiker und Politiker, »Der große alte Mann Indiens«. Der erste, der klar zu stellen vermochte, dass die Armut in Indien das Ergebnis britischer Kolonialherrschaft ist. 1867 legte er in dem Buch Poverty and Un-British Rule in India seine Theorie vom Drain of Wealth (Abfluß des Reichtums) dar. |
Bahadur Yar Jang | ⇒ Nawab Bahadur Yar Jung |
VI.Anhang | |
Begriffserklärungen | |
AMS | Andhra Mahasabha |
Arya Samaj | Eine politische Reformbewegung der Hindus im kolonialen Indien, die von modernen Historikern rechtsgerichteten Kräften zugeordnet wird. Die Anhänger der 1875 im Punjab gegründeten Organisation benannten als ihren Hauptgegner den englischen Kolonialismus. Sie zeigten sich offen antichristlich und antimuslimisch. Mutig offenbarten sie sich als Feinde des Kastenwesens. Sie traten für die Gleichheit aller Hindus ein, forderten Bildungsreformen und verboten die traditionelle Kinderheirat. Als erste verteidigten sie die Freiheit der Witwen, sich nach dem Tode des Mannes wieder verheiraten zu dürfen. Aus heutiger Sicht eine kleinbürgerliche Befreiungbewegung, die sich artikulieren konnte, nach dem sich einzelne Mutige fanden, die des Lesens und Schreibens kundig jenen Kasten Freiheit propagierten, die als unberührbar galten. Im modernen Europa haben Vertreter solcher Forderungen heute keinerlei staatliche Verfolgung zu fürchten. Für Europäer ist der Mut der damaligen Arya-Samaj-Anhänger, die unter ständiger Gefahr absoluter gesellschaftlicher Ausgrenzung wagten, feudale Zustände abzulehnen, kaum einzuschätzen. Viele der damals Wagemutigen, heute in der Historie als rückständig diffamiert, starben unerkannt in den Gefängnissen einer längst überlebten Fürstenmacht. |
Bhagela | Schuldarbeiter |
CPI | Communist Party of India ⇒ Ravi Narayana Reddy (ein Anführer der Rebellion), ⇒ B.T. Ranadive (ein Anführer der Rebellion). ⇒ Karte Wikipedia engl und ⇒ Telangana-Rebellion |
Deshmukh | Ursprünglich ein Pachteintreiber, der zum Landbesitzer wurde. |
Distress Gold | Ein Begriff, der heute nur noch für Modeschmuck verwendet wird.
Seine tragische historische Herkunft findet man in Indien.
In den 1920er und 1930er Jahren fanden dort außergewöhnlich radikale Bereicherungsorgien statt.
Die Bauern waren in stark erhöhte Steuer-, Pacht- und Schuldverpflichtungen eingebunden und
mußten während des Falls der Agrarpreise um ihre Existenz kämpfen. Die Londoner
Entscheidung, den Goldstandard zu verlassen, wertete das Pfund ab und damit gleichzeitig die Rupie.
Beider Wechselkurs ließ den Goldpreis in Indien in die Höhe schnellen. Das veranlasste die
Geldverleiher, den Bauern den Kredit zu sperren und sofort alle Schuldbeträge und Zinsen
einzufordern. Der eingesammelte traditionelle Schmuck, von den Bauersfrauen als letzte
Möglichkeit der Schuldentilgung benutzt, wurde im Währungsamt eingeschmolzen und nach
London transferiert. Es sollen bis zum Ende der 1930er Jahre um Beträge von 3072 000 000 Rupien, also
damals rund 250 000 000 £ gehandelt haben. (L3 S.69) Da das Gold anfangs den Weg
anfangs über kleine Händler ging, finden sich vermutlich keine Statistiken. Den englischen Beamten in Indien
überkam jedoch die Furcht, das die verzweifelte Situation der Bauern Aufstände auslösen könnte und so
prägten sie den inoffiziellen Begriff des distress gold. |
Home Charges | Jährliche Tribute der indischen Kronkolonie an London. |
Hyderabad (Staat) |
Der indische Fürstenstaat Hyderabad (Nizam’s Dominions - 1724 und 1948/56) dehnte sich über
eine Fläche von 214 187 km² mit und 16 Millionen Einwohner. Bodenschätze: Kohle und Gold. ⇒ Karte Hyderabad um 1909 |
Jagir | [auch: Dschagir, Jagirdari]
Das Jagirdari-System stellte das vorherrschende Herrschaftssystem im Feudalstaat Hyderabad dar.
Der Nizam ernannte seine Vasallen (Jagidars) und vergab ihnen die Rechte zur Steuererhebung über ein bestimmtes Gebiet und
für eine bestimmte Zeit. Dafür waren seine Leute ihn zu Dienst (vorrangig Militärdienst) verpflichtet.
Die Dschagirs umfassten etwa 40% des Landes. Das betraf über 6 1/2 Tausend Dörfer.
Siehe auch: → Aufstand der Sikh-Bauern und in Wikipedia ⇒ Jagir. |
Nizam | Titel des Herrschers im Fürstenstaat Hyderabad (muslimischer Hyderabad-Staat im britisch-indischen Reich). Der letzte Nizam Mir Osman Ali Khan Asaf Jah VII (1886-1967) regierte Hyderabad von 1911 bis 1948, bis es von der Indischen Republik erobert wurde. |
Razakar |
Die muslimischen Razakar entstanden als Ableger einer staatlich gestatteten Organisation, die
offiziell gesamtindisch legitimiert schien. Im Fürstenstaat Hyderabad fanden sich dabei die Anhänger
der osmanischen Soldatentradition zusammen,
die einer Durchsetzung von Law and order dienen wollten. In Wirklichkeit entstand eine
von privaten Spenden finanzierte paramilitärische Polizeitruppe. An der Niederschlagung des Bauernaufstandes
trug sie wesentlichen Anteil mit schwersten Verbrechen an der ländlichen Bevölkerung.
Mutige einfache Bauerneinheiten vermochten zuweilen diese Söldlinge in die Flucht zu schlagen.
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Vetti | Unbezahlte Zwangsarbeit. Aus feudal-historischen Verhältnissen stammend und bis in die 1970er Jahre
noch nachweisbar existierend. Die Arbeit wurde von niederer Kaste unbezahlt für die höhere Kaste geleistet.
Angeblich sicherte Vetti die soziale Stabilität im Dorf. Zum Begriff liegen wenige ungenügende Daten vor. Prüfen: ⇒ Jajmani_system (hier Zitat: This coercive system gave rise to a rebellion of the lower castes against the jamindars in the Telangana region in 1946.) und ⇒ Unfree_labour. (weitere Ergebnisse prüfen: In Vetti-Chakiri und Begar haben niedere Kasten nur Pflichten gehabt, um der oberen Kastengemeinschaft, auch Vetti oder Vetti Chakiri genannt, freie Dienste zu leisten.) |
Links, Literatur, Quellen, Hinweise | |
(L1) | Hrg. Prof.Dr. Alfred Anderle u.a., Weltgeschichte in Daten, VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin 1965 (S.957), und ⇒ Wikipedia und ⇒ Famine in India. |
(L2) | David Ludden, Geschichte Indiens, Magnus Verlag Essen 2006 Original Oxford, England 2002 als India and South Asia. A Short History {HL: Keine Erwähnung des Telengana-Aufstandes. Nichts über Gold. Viel über Teilung und Kaschmir.} |
(L3) | Dorothea Wanek, Auswirkungen der Finanzpolitik der Bank of England auf das koloniale Indien in der Zwischenkriegszeit, Wien 2013 |
- | Hermann Kulke, Dietmar Rothermund, Geschichte Indiens, Verlag C.H. Beck , 2.aktualisierte Auflage der Sonderausgabe 2010 Gold und Devisen: S. 338-346 , keine Erwähnung des Telengana-Aufstandes. |
Link | JOURNAL ARTICLE , Die Goldbewegungen aus Britisch-Indien , Sudhir Sen , Weltwirtschaftliches Archiv 39. Bd. (1934), pp. 347-382 |
Link | Für weiteres Nachlesen: ⇒ Hyderabad Deccan Company |
Link | mitgift-in-indien |
Link | ⇒ Wikipedia Der Staat Hyderabad war von den verheerenden Hungersnöten 1898 und 1900–1902, bei denen offiziell 1,5 Mio. Menschen verhungerten, und den folgenden Epidemien stark betroffen. |
Link | ⇒ Wiki Das Persische als Amtssprache wurde bei Hofe 1884 und in der Verwaltung 1886 durch Urdu, das zehn Prozent der Hyderabader sprechen, ersetzt. Ein Großteil der hinduistischen Bevölkerung sprach jedoch Marathi (25 %) oder Telugu (50 %). Die muslimische Oberschicht dominierte die Verwaltung, Schlüsselpositionen waren mit Briten besetzt. |
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Notizen Bauernaufstand in Hyderabad ౿ Telangana-Aufstand ౿ begonnen: 18.12.2017 ౿ Stand: 16.05.2018 ౿ Hans Holger Lorenz