Aufstände in der Han-Dynastie während der Zeitenwende |
Abb. 1: Ziegelrelief aus einem Grabgewölbe der Han-Periode (1. Jahrhundert u.Z.) |
Wenn man großzügig mit historischen Zeitabständen umgeht, erkennt man in den fünfhundert Jahren vor der Zeitrechnungswende
das Erstrahlen besonderer Glanzlichter. In den verschiedensten Kulturkreisen der Welt warfen die Menschen nahezu zeitgleich
dieselben Fragen auf. Das betraf das Verhältnis des Menschen zur Natur und die Beziehung des einzelnen Individuums zum
menschlichen Kollektiv. Die Erdenbewohner suchten Normen zum Handeln, die auf
Gerechtigkeit und Glück orientieren sollten. Im alten Hellas formulierte Thales von Milet darauf
Antworten ohne Beteiligung überirdischer Kräfte.
In Judäa ließ man einen gewissen Propheten Ezechiel eben solche mit Hilfe eines einzigen Gottes finden.
Die Asiaten wiesen Buddha jene Erkenntnis zu, das nur völlige Abkehr vom Irdischen das
Glück bringe und in China stellte ein Konfuzius genau gegenteilige Lebensregeln auf. Das ist uns alles aus
jenen fernen Jahrhunderten überliefert, aber fast nichts davon, wie die Bauern ständig um die Früchte
ihrer harten Arbeit gebracht wurden.
Der erste Bauernaufstand, von dem uns etwas Nachricht aus der dreiundzwanzig Jahrhunderte zurückliegenden Zeit zukommt, fand
vermutlich im Jahr 209 v.u.Z. statt.
Weil im alten China sehr früh eine Geschichtsschreibung einsetzte, wurde in ihr zuweilen über soziale Kämpfe berichtet.
Aber es ist eine endlose Zahl von Bauernrevolten und Bauernkriegen zu vermuten, die uns aus den verschiedensten Gründen nicht
überliefert wurden.
I. Das Xin-Interregnum (9 - 24 u.Z.) und der Aufstand der »Roten Augenbrauen« im Jahr 18 u.Z.
Karte 1: Aufstandsgebiete und der Zug der »Armee der Roten Augenbrauen«
Der sich anbahnende Aufstand konnte offenbar auch nicht mehr durch wohlgemeinte Politikänderungen
verhindert werden. Diese Epoche beschreibt tatsächlich ein beispielhaftes Kapitel menschlicher Historie,
wie sich zu spät eingeleitete Sozialreformen als unwirksam erwiesen und gesellschaftliches Chaos zwangsläufig folgte. Fußnoten:
[1] Eine tatsächlich eingezogene Pferdefuttersteuer erscheint der heutigen Mineralölsteuer fast vergleichbar.
II. Der Aufstand der »Gelben Turbane« 184 u.Z. Karte 2: Der Aufstand der »Gelben Turnane«
Ein Prediger stand am Beginn der Ereignisse. Chang Chiao, der
Gründer einer dauistischen Geheimsekte, predigte die Lehre vom »Taipingdau«
[Tai-ping tao = Weg zur großen Gleichheit], die eine Zeit des glücklichen Lebens ankündigte.
Die Ungerechtigkeit sollte zu Ende sein, der Blaue Himmel als Inkarnation der Gewalt hatte dem
Strahlenden (gelben) Himmel als Zeitalter des Glücks zu weichen.
Chang Chiao stammte aus Julu in der Provinz Hebei.
Als weit bekannter reisender Arzt tätig, fand er viele dankbare Anhänger, die bereitwillig seine Lehren verbreiteten.
So wirkten die Rebellen zehn Jahre lang geduldig
im Geheimen, aufopferungsvoll und mutig predigten sie auf den Dörfern und in den Städten. Sie propagierten
den Taiping-Daoismus in den Einzugsgebieten des Gelben Flusses und wurden am Yagtse aktiv. Ihre Verbindungen
reichten schließlich bis in die Hauptstadt und direkt in den Kaiserpalast. Es waren ihrer Zehntausende
auf dem Land geworden und die organisierten sich in Abteilungen.
III. Gebrauch der Münzen Abb.2: Messermünzen und Hackenmünzen
Die alten Griechen begründeten bekannterweise die Arithmetik, bevorzugten jedoch liebevoll die Probleme der Geometrie.
Im Gegensatz dazu befassten sich die Chinesen zeitgleich gern mit dem Zahlen-Rechnen.
Vielleicht kam das daher, das eine besondere Praxis der Münzennutzung ihre Gedanken in diese Richtung lenkte.
Für eine frühe Anwendung von Münzen spricht, das
das Zählen und Rechnen im alten China wesentlich einfacher gewesen sein muß als bei den zeitgleichen Hellenen in Europa.
Man rechnete mit "Stäbchen" und legte sie den Zehnerpotenzen zugeordnet aus. Ein schachbrettförmiges in den Sand gezeichnetes Feld
oder vorgefertigtes Brett diente als Unterlage.[c]
Das schriftliche Fixieren der Rechenwege dagegen fiel wesentlich schwerer, zumal ab Ziffer 4 weitere extra Zeichen galten.
Doch mit der einfachen "Stäbchen"-Methode war ein Handel auf Märkten durchaus praktikabel.
Genau wie die "Stäbchen" konnte man z.B. die Messermünzen benutzen,
wobei jede Münzform zugleich einen Hinweis auf den jeweiligen Händler gab. Vorteilhaft besonders dann, wenn mehrere Partner am
gleichen Handelsvorgang beteiligt waren. Damit entfielen eventuelle komplizierte Umrechnungen.
Bis in das 2 Jh. v.u.Z. fehlen noch Nachweise darüber, außer jene merkwürdig geformten Münzen.
Sie konnten wie Bonusmarken an einer Lederschnur getragen werden und gaben so offene Auskunft über
das reale Handelspotential des betreffenden Geschäftspartners. Fußnoten:
[a] In Europa vergleichbar beispielsweise mit der Weltuntergangsstimmung um 1500.
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v.u.Z. = vor unserer Zeitrechnung (= v.Chr.) u.Z. = unsere Zeitrechnung |
IV. Zeitangaben | |
Jahresangaben | Reihenfolge der Dynastien | |
778 v.u.Z. bis 207 v.u.Z. |
Qin-Dynastie |
Es wird vermutet, das im 6. Jhd. v.u.Z. die ersten Metallmünzen aufkamen. |
206 v.u.Z. bis 9 u.Z. |
Frühe (Westliche) Han-Dynastie | |
9 bis 23 |
Xin-Dynastie [xin = die Neue] |
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23 bis 220 u.Z. |
Späte (Östliche) Han | Seit dem 1. Jhd. regulärer Seehandel zwischen Han-China und Indien. |
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960 bis 1279 | Song-Dynastie | |
Daten zum Aufstand der Roten Augenbrauen | ||
13 u.Z. | Bauernaufstand in der Provin Schandung, von der Regierung niedergeschlagen. (L5 S.532) | |
17 u.Z. | Die Bauernarmee der Grünen Wälder beginnt ihre Kämpfe gegen die Anhänger des Usurpators Wang Mang. Ihre Anführer: Wang Kuang und Wang Feng. Ihr schließen sich Adlige aus dem Kaiserhaus an. | |
18 u.Z. | Aufstand der Roten Augenbrauen beginnt in Schandung unter dem Anführer Fang Chun. | |
23 u.Z. | Die Roten Augenbrauen rücken auf die Hauptstadt Changan vor. In der Stadt wird der Usurpator Wang Mang getötet. Ein Abkömmling der Lju wird zum Kaiser ausgerufen (Göngsch = Keng-shih).(L5 S.533) |
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25 u.Z. | Die Hauptstadt Changan wird von den Roten Augenbrauen erobert. Keng-shih wird getötet. Der Prinz Liu Hsiu (= Lju Ssju) wird zum Kaiser ausgerufen, trennt sich von den Aufständischen und verlegt die Haupstadt nach Luoyang. Er stellt ein eigenens Heer auf und belagert nun seinerseits die Roten Augenbrauen. | |
27 u.Z. | Die Roten Augenbrauen werden von Liu Hsiu mehrmals in Honan geschlagen.(L5 S.533) | |
29 u.Z. | In der Entscheidungsschlacht in der Stadt Ljang (Yiyang, zwischen Changan und Lojang) kann Liu Hsiu die Roten Augenbrauen schlagen. Seine Deklarationen über die Freilassung von Sklaven, über die Ungültigkeit der Erlasse des Wang Mang und über Steuererleichterungen führen dazu, das sich die Reihen der Aufständischen auflösen.(L5 S.533-534) | |
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Daten zum Aufstand der Gelben Turbane | ||
107 | Eine lange Zeit mit Bauernaufstände in verschiedenen Landesteilen beginnt. | |
184 | Beginn des Aufstandes der Gelben Turbane | |
192 | 300 000 Bauern der Gelben Turbane leisten noch Widerstand im Gebiet Shandong. | |
205 | Es gelingt einem berüchtigten Angehörigen der sogenannten Starken Häuser, die letzte Abteilung der Gelben Turbane zu stellen. General Tsao tsao zerschlägt die Abteilung des Anführers Yüan Tan. | |
208 | Letzte Splittergruppen der Gelben Turbane |
Namen | V. Zeitgenossen | |
Namen aus der Zeit der Armee der Roten Augenbrauen | ||
Fan Chung | (= Fan Chong = Fan Chun = Fan Tschung) Anführer der Roten Augenbrauen, Bauer (L5 S.532), siehe auch: Wiki unter Fan Chong | |
Guang-wu-di | (Liu Hsiu = Liu Xiu = Han Guangwu di = Kuang-wu = Kaiser Guangwu). Nachkomme des Kaisers Ching (156-141), unterdrückte den Aufstand der Roten Augenbrauen. Liu Hsiu setzte sich an die Spitze eines Parallel-Aufstandes Er erneuerte die Han-Dynastie durch seine Kaiserproklamation im Jahre 25, historisch als Kaiser Kuang-wu (25-57) bekannt. (L1 S. 84) ⇒ Wikipedia | |
Liu Xin | Konfuzianischer Gelehrter, politischer Freund des Wang Mang. (L1 S. 83)Liu Xin | |
Wang Mang | Usurpator. (L1 S. 83) | |
Wang Kuang | Anführer der Armee der Grünen Wälder. (Lülin-Armee (?)). Soll zeitweise auch gegen die Aufständischen gekämpft haben, sogar mit besonderer Grausamkeit. (prüfen!) ⇒ Wiki | |
Wang Feng | Anführer der Armee der Grünen Wälder. (Lülin-Armee (?)) ⇒ Wiki | |
Namen aus der Zeit der Gelben Turbane | ||
Chang Chiao | (=Dsang Djau; = ⇒ Zhang Jiao) Gründer einer dauistischen Geheimsekte, Arzt, predigte die Lehre vom »Taipingdau« [Tai-ping tao = Weg zur großen Gleichheit; auch: Lehre vom Frieden], die eine Zeit des glücklichen Lebens ankündigte. Die Ungerechtigkeit sollte zu Ende sein, der Blaue Himmel als Inkarnation der Gewalt sollte dem Strahlenden (gelben) Himmel als Zeitalter des Glücks weichen. | |
Chang Biao | (= ⇒ Zhang Bao, Bruder des Chang Chiao und Anführer einer Einheit der Gelben Turbane. Soll sich nach den Niederlagen der Bauern in die Berge als Räuber verborgen haben und später von den eigenen Leuten getötet worden sein. |
VI. Begriffe | |
Changan | (auch:Chang'an; Tschangan) Hauptstadt der Han, später nach ⇒ Luoyang verlegt. ⇒ imperial-chinese-cities |
Chiu-chang suan-shu | (auch: Jiu Zhang Suanshu) = Neu Bücher arithmetischer Technik. Frühstes Lehrbuch der Mathematik mit 9 Aufgaben. Die chinesische Tradition weist das Werk dem Chou Kung zu (12. Jh. v.u.Z.) oder dem legendären Gelben Kaiser (3, Jahrtausend v.u.Z.). Der älteste bekannte Text ist aber von 263 u.Z. und kommentiert von Liu Hui. |
Konfuzianismus | Lehre des Meisters Qiu Kong, (Konfuzius 551 - 479 v.u.Z.), die Chinesen stellen den Konfuzianismus neben die Religionen Taoismus und Budhismus, obwohl er nicht eigentlich eine Religion ist sondern eine Sittenlehre. |
Taoismus | chinesische Volksreligion. Unterstützte die Herausbildung verschiedenster Geheimbünde und Sekten, z.B. die Gelben Turbane, die Fünf-Scheffel-Reis-Sekte, die Roten Augenbrauen und die Taiping. (L1 S.103) |
VII. Quellenangaben Literatur Links | |
(L1) | Otto Ladstätter, Sepp Linhart, China und Japan - Die Kulturen Ostasiens, Wien 1983 S.106 |
(L2) | Weltgeschichte in Daten, Deutscher verlag der Wissenschaften Berlin 1965 S. 195, |
(L3) | Helmuth Gericke, Mathematik in Antike, Orient und Abendland, Wiesbaden 2003 S.173-178 |
(L4) | Georges Ifrah, Universalgeschichte der Zahlen, Frankfurt a.M. New York 1991 S.149, 156 |
(L5) | I.M. Shukow, S.L. Uttschenko, A.J. Pawlowskaja, Weltgeschichte Bd.2 , Berlin 1962 S.532, 554 ff |
(L6) | Renée Violet, Einführung in die Kunst Chinas, Leipzig 1981 30, 82, 200 |
--- | Walter Böttger, Kultur im Alten China, Leipzig Jena Berlin 1979 |
(K1) | Karte 1: H. Lorenz nach einer Vorlage aus: I.M. Shukow, S.L. Uttschenko, A.J. Pawlowskaja, Weltgeschichte Bd.2 , Berlin 1962 S.512 |
(K2) | Karte 2: I.M. Shukow, S.L. Uttschenko, A.J. Pawlowskaja, Weltgeschichte Bd.2 , Berlin 1962 S.512 |
(Abb. 1) | Ziegelrelief aus einem Grabgewölbe der Han-Periode (1. Jahrhundert u.Z.) nach einer Vorlage aus I.M. Shukow, S.L. Uttschenko, A.J. Pawlowskaja, Weltgeschichte Bd.2 , Berlin 1962 S.506 |
(Abb. 2) | Messermünzen und Hackenmünzen, H.H. Lorenz |
(Abb. 3) | Pflügender Bauer, Steinrelief aus Han-Bestattungen, um 100 u.Z., nach einer Vorlage aus I.M. Shukow, S.L. Uttschenko, A.J. Pawlowskaja, Weltgeschichte Bd.2 , Berlin 1962 S.505 |
Hinweis: Es wurden unterschiedliche Transkriptionen der Chinesischen Namen und Bezeichnungen verwendet, je nach Quellenlage.
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