I. Reconquista und freie BauernEs gibt Historiker, die sprechen in der Mitte des 14. Jahrhunderts von einer ersten großen Krise des Feudalismus. Sie meinen damit die Mißernten und Epidemien dieser Zeit, die Europa heimsuchten. Als Ursache vermuten einige gar eine Klimakatastrophe und weisen auf eine tatsächlich nachweisbare Kälteperiode hin. Mißernten brachten Hungersnöte hervor und die davon geschwächten Menschen wurden den furchtbaren Auswirkungen der Pest ausgesetzt. Der weitere Rückgang der landwirtschaftlichen Produktion war auch eine der unmittelbaren Folgen des Massensterbens. In einigen Gegenden fielen den Epidemien bis zu 60 % der Bevölkerung zum Opfer. (1) Während der Reconquista - über die die Geschichtsschreibung sehr viel breiter berichtet als über die Lage der Bauern - konnten die Feudalherren ihre Besitzungen beträchtlich erweitern. In der sogen. III. Phase (1213–1492) der Kriegszüge der christlichen Königreiche gegen die Mauren kam der Kreuzzugscharakter auf der Iberischen Halbinsel zum Tragen. Nach römischer und christlicher Rechtstradition fiel dabei alles eroberte Land an die jeweiligen Kronen von Kastilien, Katalonien oder Aragon. Für die Wiederbesiedlung, die teilweise von den königlichen Behörden und teilweise von den Städten gelenkt wurden, strömten freie Bauern aus dem kargen Norden. Zuweilen organisierten diese ihre Wiederaufbauarbeit selbst und nahmen ihr Schiksal in die eigenen Hände. Aber auch wohlhabende christliche Mozarababer mit höherer Kultur aus den moslemischen Reichen engagierten sich in diesen Aktionen. In der Wiederbesiedlung des Ostens der Halbinsel erhielten vorrangig Ritterorden und kirchliche Grundherren von den Königen große Ländereien geschenkt, womit die Grundlagen für den späteren Großgrundbesitz geschaffen wurden. Gewollt oder ungewollt waren damit die Keime für zukünftige sozialen Kämpfe gelegt. Daraus entwickelten sich die Widersprüche zwischen den freien Bauerngemeinden (vorrangig im Norden und in Kastilien) und den Großgrundbesitzern aus Adel und Kirche. In den sich formierenden Feudalstaaten mit ihren verschiedenen und gemischten volkstümlichen Bevölkerungen und mit deren unterschiedlichen Glaubensbekenntnissen (christlich, muslemisch und jüdisch) mußten sich die kommenden Gegensätze verschärfen und für die Menschen immer undurchschaubarer werden. Die geistlichen Feudalherren konnten sich, gestützt auf den hohen Organisationsgrad ihrer Kirche und die militärische Stärke der christlichen Heere und Ritterorden an Spitzenpositionen der staatlichen Macht bringen. Im Laufe der Jahrzehnte sahen sich die Bauern zwei starken gesellschaftlichen Gruppierungen gegenüber, die sie immer drückender belasteten. An der Spitze stand der Adel, dessen Familien sich fortdauernd untereinander bekämpften. Alte Geschlechter fochten besonders gegen neue durch die Erfoge der Reconquista reichgewordenen Emporkömmlinge und beide Seiten benötigen für ihre Fehden in steigendem Maße die Abgaben der Bauern. Wie im übrigen Europa kam eine zweite Last für die Bauern, die neue Schicht des Bürgertums hinzu. Es erstarkte infolge eines Phänomens, das sich so in seiner gesellschaftlichen Wirkung offenbar noch nicht vorhersehen ließ: das Phänomen Geldwirtschaft. Geld war keine neue Erfindung - Geld gab es auch vorher. Aber jetzt trat es mit starken wirtschaftsverzerrenden Wirkungen großflächig und europaweit in Aktion und veränderte damit auch die materielle Lage der Bauern, die sich vorher durchaus selbst versorgen konnten. All diese Widersprüche hätten allein schon ausgereicht, um die schweren sozialen Auseinandersetzungen zu provozieren, die sich nun im Zeitverlauf abspielten. Aber es kam noch ein völlig neuer Konfliktstoff hinzu, der eigentlich erst durch die Geldwirtschaft möglich wurde: die gezielte Expansion in die überseeischen Gebiete. Die heutige Geschichtsschreibung läßt die sozialen Unruhen auf der Iberischen Halbinsel sowie überhaupt in Europa und die Erkundungen und Eroberungen der überseeischer Gebiete als parallel und unabhängig voneinander laufende Prozesse erscheinen. Die großen historischen Entdeckungs- und Eroberungszüge waren jedoch mit gewaltigen Arbeits-, Material und Kostenaufwendungen verbunden. (In der Gegenwart vielleicht vergleichbar mit den Aufwendungen der Raumforschung) Die Aufstände und Unruhen jener langen Jahrzehnte in Spanien, Deutschland, England, Schweiz u.s.w. zeigen sich uns jedoch aus heutiger Sicht nicht etwa zufällig sondern auffällig zeitgleich! Als später die Schätze aus den eroberten Gebieten endlich eintrafen, wurden sie den Lebensmittelproduzenten nicht zweckdienlich gemacht und führten im Gegenteil zur sogenannten Preisrevolution.
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II. Der "Rückkauf" der FreiheitWie schon erwähnt, - die größten Königreiche der Iberischen Halbinsel hießen Kastilien, Aragonien und Katalonien, Spanien war erst auf dem Weg zur Einheit. Neben schweren Kriegen hatte man immer wiederkehrende Epidemien und Hungersnöte überstanden. Nun zeigten sich zunehmend wirtschaftliche Probleme in Katalonien: das englische Tuch, übrigens aus spanischer Wolle, bewirkte große Arbeitslosigkeit im Tuchgewerbe, Krisen trafen auch das Metallgewerbe und den Schiffbau weil der große Mittelmeerhandel an Bedeutung verlor. In Städten wie Barcelona standen sich zwei Parteiungen gegenüber: auf der einen Seite die Armen, die "Verlierer", die Arbeitslosen (z.B. Textilarbeiter) und auf der anderen Seite die wirklichen Schmarotzer, die Grundbesitzer und Rentiers. Auf dem Land stellten sich mit den besseren Ernten für die Bauern zugleich die neu erwachten Begehrlichkeiten des Adels ein, Die Lehnsherren, die erneut die Bauern an ihren Gutsbesitz zu fesseln gedachten, wollten die Leibeigenschaft zurück. Diese zeigte ihr häßliches Gesicht in den fünf von den Bauern Aragons und Kataloniens formulierten schlechten Gewohnheiten der Herren: der intestia, exorquia, cugucia, ursina und der firma de spoli.Wollten die Bauern ihre Freiheit nutzen und womöglich ihre Höfe verlassen, hatten sie sich "frei zu kaufen", ihre Freiheit "zurück"zukaufen - Remensa ist katalanisch und bedeutet etwa: Rückkauf. Das betraf eine große Zahl von Bauern, in Katalonien etwa 20.000 Höfe oder 1/4...1/3 der Bevölkerung. (2) In Aragonien verfügten der Adel und der Klerus über zwei Drittel des Bodens. Diese mächtigen Großgrundbesitzer besaßen zugleich die Mühlen und die Weinkeltereien. Sie übten unbegrenzte Macht aus und hatten sogar das Recht, Leibeigene zu töten. Wege der Mesta Die Ausdehnungen der Schafzucht und die Intensität der "internationalen" Verbindungen werden deutlich am Beispiel der riesigen Ländereien von La Manch und Estremadura. Diese wurden von den spanischen Militärorden als Garantie für die Rückzahlung von Krediten der Fugger-Bank eingesetzt. Karl V. war von den deutschen Kaufherren finanziell unterstützt worden. Noch 1523 beliefen sich die Forderungen der Fuggerbank auf 600 000 rheinische Gulden (2100 Kilo reines Gold).(3) Im Süden der Halbinsel gingen die bäuerlichen Besiedlungen bevölkerungsschwächer vor sich. Die großen Flächen nutzte man anfangs mit extensiver Viehzucht, die sich in Kastilien ausbreitete. Seit 1489 sicherten königliche Erlasse den Großherdenbesitzern besondere Rechte. Dank der Organisation der Viehzüchter, der Mesta, in deren Vorsitz auch Mitglieder des Königlichen Rats saßen, erlebte die Wanderschafzucht einen unglaublichen Aufschwung zulasten der Getreidewirtschaft. Die Schafzucht brachte der Krone hohe Steuereinnahmen und lieferte anfangs der heimischen Textilindustrie die Rohstoffe. So durften die Großherdenbesitzer ihre Tiere kostenfrei über Gemeindeland treiben, später eigneten sie sich "unbebautes" Bauernland an und wurden bei diesen Vorhaben immer aggressiver. Es zeigte sich hier eine interessante Parallele zu den gleichzeitigen Einhegungen in England. Verheerende Folgen für die Ernte und für die Landwirtschaft überhaupt hatten die jährlichen Wanderungen der Großherden über die gesamte Halbinsel, die sich nach den Jahreszeiten richtete. So kam es auch im wirtschaftlich größten Kastilien zur Verarmung des Bauernstandes. Zu all den Mißständen kamen unverständliche Rechtsvorschriften aus altem römischen Recht mit unglaubwürdigem Formalismus. Damit waren auf "rechtmäßigem" Wege keine realen Veränderungen zur Verbesserung der Lage der Lebensmittelproduzentenmehr durchzusetzen. |
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III. erster Krieg der Remensas (1462 bis 1472) unter VerntallatIn Katalonien begann im Jahr 1462 ein sich lange Jahre hinziehender Bürgerkrieg, der im Grunde genommen von der Bauernschaft ausgetragen wurde. Als ihr Anführer fungierte der niedere Adlige Francesc de Verntallat. Stellenweise weitete sich der Aufstand auf Grenzgebiete des heutigen Südfrankreich aus. Das herrschaftliche Bestreben versuchte sich eine Verpflichtung aus dem Jahre 1123 nutzbar zu machen. In jener Vorzeit vor über dreihundert Jahren galt für Lehnsbauern, die einen Hof verlasssen wollten, eine Ablösesumme an ihren Lehnsherren zahlen zu müssen. Vermochte sie das nicht, war es ihnen verboten, den Hof zu verlassen. Der Adel wollte damit die freien Bauern von 1462 erneut zu Leibeigenen machen. Die Remensas von 1462 aber meinten: Adam ist gestorben ohne ein Testament zu hinterlassen, folglich muß der Boden zu gleichen Teilen unter allen Menschen - Adams Kinder - aufgeteilt werden.... Daran entzündete sich der sozialer Konflikt. Zur gleichen Zeit befand sich die Krone von Aragon in einem politischen Konflikt mit eben diesen Provinzherren und es lag für den König nahe, sich mit den aufmüpfigen Bauern und den verärgerten Kleinstädtern zu verbünden. Johann II. von Aragon (span. Juan II) standen die geistlichen und weltlichen Fürsten Kataloniens (katalanische Generalität) vereint mit den Reichen der Stadt Barcelona gegenüber. Die traditionelle Führungsschicht verweigerte sich der modernen Annäherung an Kastilien. Als der Aufstand der mit dem König sympathisierenden Bauern begann, erklärte der Adel den Krieg gegen die Krone. Die Remensas kämpften unter Verntallat in den Gebirgsgebieten der Pyrenäen. Verntallat's Leute besetzten u.a. die Orte Olot, Castellfullit des Rock, Banyoles. Von Juana Enríquez wurde Verntallat zum Offizier erhoben. Die ehrgeizige kastilische Adlige, zugleich Königin von Navarra und Aragon (Urgroßmutter Kaiser Karl V.) hatte sich aus eigenen machtpolitischen Motiven auf die Seite der Remensas gestellt, sich mit der Biga Barcelonas überworfen und in das Aufstandsgebiet Gerona begeben. Ihr Mann zog mit seinem Heer entlang der Mittelmeerküste, und besetzte nach langem hin und her der Kriegswirren am 28.Oktober 1472 Barcelona. Dort unterzeichnete er ihre Kapitulation von Pedralbes. Für die Bauern blieb das Ergebnis nicht befriedigend. Einige der üblen Gebräuche wurden abgeschafft, aber bereits zwei Jahre später die Begünstigungen der Bauern insbesondere auf Drängen kirchlicher Feudalherren wieder aufgehoben. So kommt es 1484 erneut zum Aufstand. ⇒ Siehe Zweiter Krieg der Remensas |
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IV. Fuente Ovejuna (1476)Zu den selten überlieferten Bauernaufständen des Spaniens der Katholischen Könige zählt die Erhebung von Fuente Ovejuna. Die Siedlung liegt in Andalusien bei Cordoba. Die Bevölkerung erhob sich gegen den Komtur des Calatrava-Ordens, dem Seigneur Guzman, der die Bauern besonders grausam unterdrückte. Die Aufständischen töteten Guzman und 14 seiner Getreuen und kämpften dafür, ihr Dorf unter den Schutz der verbündeten Stadt Cordoba zu stellen. Die gerichtliche Untersuchung durch königliche Behörden bestätigte die Rechtmäßigkeit der Unterstellung des Dorfes für die Stadt und gab somit indirekt den Bauern recht. Der König soll allgemeine Begnadigung gewährt haben. (4)Der berühmte spanische Dichter Lope de Vega schrieb später ein Werk über diesen Aufstand : Fuente Ovejuna (Die Schafsquelle) das noch in der Gegenwart zur Auführung z.B. im Teatro en Sevilla gebracht wird. |
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V. Zweiter Krieg der Remensas (1484 - 1485) unter Juan Sala (katalanisch: Pere Joan Sala)Vermutlich einigten sich bei einem Treffen des Chorherrenstiftes in der Kathedrale von Girona im März 1475 (?) die geistlichen Fürsten darauf, das von den Bauern eine Zahlung (zum Erlangen ihrer Freiheit ?) zu erfolgen hat.Am 8. Oktober 1481 sanktionierte König Ferdinand II. (1479-1516), von den Adelshäusern unter Druck gesetzt, die Wiederherstellung der Vorrechte des Adels. Es heißt, der König hätte zu eben dieser Zeit 300.000 Pfund benötigt. In Katalonien flammten naturgemäß erneut die Unruhen auf. Sie begannen im September 1484 in der Stadt Mieres und wurde von einem ehemaligen Anhänger Verntallats, Joan Sala angeführt. König Ferdinand seinerseits verhandelte mit der Ständetagung von Barcelona. Die Stadt erlebte eine schwere Wirtschaftskrise und war hoch verschuldet (HL: Frage klären: an wen?!). Adel und Städte hielten Teile des Krongutes immer noch besetzt (HL: Realitäten aus den Ergebnissen des I. Remensa-Krieges). Offenbar erzielten Krone, Adel und Städte in diesen Fragen Kompromisse, aber nicht im Konflikt Payeses de Remensa. Verhandlungen zwischen Grundherren und Remensas gestalteten sich äußerst schwierig, weil die Adligen keinerlei "Abstriche" von ihren "Rechten" hinnehmen wollten. Die Remensas hatten eigene Strukturen entwickelt und behielten einige Stützpunkte besetzt. Der neu ausbrechende bewaffnete Kampf trug die klassischen Züge eines Bauernkrieges. Die revolutionärste Fraktion der Remensas griff erneut zu den Waffen, eroberte wieder mehrere Burgen und Kleinstädte. Ihr Anführer, Pedro Juan Sala bedrohte mit seinen Bauernhaufen im Februar 1485 sogar die Stadt Barcelona. Den etwa tausend schlecht bewaffneten Bauern stand ein Ritterheer, von der Stadt reichlich ausgestattet gegenüber. Einen Tagesmarsch von der großen Hafenstadt entfernt im Gebiet um Llerona wurden die Remensas am 24. März geschlagen, über zweihundert Bauern wurden getötet, etwa dieselbe Zahl soll gefangen worden sein. Juan Sala wurde in Llerona hingerichtet. Pedro Juan Sala, seiner Herkunft nach vermutlich ein Bauer, kannte sich im militärischem Wesen aus und war offenbar ein talentierter Organisator. (HL: Ein vergleichbarer fast zeitgleicher Held hieß in den deutschen Landen Joß Fritz ! ) Am 21. April 1486 erfolgte der Schiedsspruch von Guadalupe durch Ferdinands dem Katholischen. Der betraf die Abschaffung der üblen Gewohnheiten der Herren und stellte einen gewissen Kompromiß dar. Er wird heute als Ende der feudalen Zustände in Katalonien gewertet. Aber dieser Kompromiß entließ die Bauern nicht aus der Zahlungspflicht. |
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VI. Begriffserklärungen und Namen
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Quellen / Literatur | ||
(1) | Walther L. Bernecker; Horst Pietschmann Geschichte Spaniens Verlag W.Kohlhammer Stuttgart Berlin Köln 1997 S.22 |
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(2) | Joseph Pérez Ferdinand und Isabella Spanien zur Zeit der Katholischen Könige Diederichs Verlag München 1996 S.24 |
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(3) | Joseph Pérez Ferdinand und Isabella Spanien zur Zeit der Katholischen Könige Diederichs Verlag München 1996 S.38-39 |
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(4) | N.A. Sidorowa, N.I. Konrad, I.P. Petruschewski, L.W. Tscherepnin Weltgeschichte in zehn Bänden Band 3 VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften Berlin 1963 S. 831 |
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(5) | Walther L. Bernecker; Horst Pietschmann Geschichte Spaniens Verlag W.Kohlhammer Stuttgart Berlin Köln 1997 S. 49 - 52 |
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(6) | Walther L. Bernecker; Horst Pietschmann Geschichte Spaniens Verlag W.Kohlhammer Stuttgart Berlin Köln 1997 S. 58 |
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(-) | Joseph Pérez Ferdinand und Isabella Spanien zur Zeit der Katholischen Könige Callwey Verlag München 1989 |
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(-) | Johan Brouwer Johanna die Wahnsinnige Glanz und Elend einer spanischen Königin Diederichs München 2004 |
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