Ausgewählte Problemstellungen zu den europäischen Bauernrevolten der Frühen Neuzeit |
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- Erst spät stoßen Historiker auf den europäisch wirkenden Zusammenhang der Bauernrevolten in der frühen Neuzeit.
Direkt nach dem Grossen Deutschen Bauernkrieg verhinderten in der Geschichtsschreibung unterschiedliche religiöse Blicke
diese Sicht. Katholiken und Protestanten widersprachen sich heftigst und suchten auf der jeweiligen Gegenseite eine Schuld für
die Gemetzel, selbstverständlich ohne den Fürsten eine solche anzulasten und eher den Bauern die Bluttaten zuschreibend.
Die spätere national orientierte Geschichtsschreibung konzentrierte sich vorrangig auf die Vorkommnisse in den
herrschenden Schichten. Mehr oder weniger bewußt verlor sie die sozialen Bewegungen anderer Nationen ganz aus den Augen.
Selbst die marxistische Historientheorie mit ihrer starken Orientierung auf das nach ihrer Ansicht zukunftsbestimmende
Industrieproletariat offenbarte zeitweise Verachtung für die Bauern, stufte sie gar als reaktionär ein und mußte so, auch aus
späterer staatstragender Anhängselei, bestimmte grenzübergreifende Zusammenhänge ignorieren.
Erst in den 1970er bis 1980er Jahren konnten wieder europäisch orientierte Untersuchungen angestellt werden, die eigentlich
mit den Forschungen von Wilhelm Zimmermann in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts begonnen hatten und mit
Friedrich Engels Arbeiten solide Vorleistungen darstellten.
- An den Positionen zu den Bauernforderungen im Grossen Deutschen Bauernkrieg kann man erkennen,
welche Vorstellungen der jeweilige Historiker über die Herausforderungen in der Lebensmittelproduktion in der Landwirtschaft hat.
Die mehr oder weniger versteckte Verachtung des Bauernstandes, eine Erbsünde aus der Frühen Neuzeit und der
→ Preisrevolution, führt in logischer Konsequenz
zur Verachtung jeglicher produktiver Arbeit. Überreste finden sich noch heute im trivialen
Kosten-Nutzen-Denken. Geradezu irrational tritt sie uns bei unkritischer Anwendung automatisierter
Kostenrechnungsverfahren entgegen.
- Oft zeigt sich, das in den ländlichen Gebieten zuerst die lokal gesellschaftlich organisierte Arbeit funktionierte, bevor später der Eingriff
von außen vorgenommen wurde. Zuerst mußte die freie Arbeit der Bauern und Siedler solide Mehrprodukte ergeben und Begehrlichkeiten wecken.
Dann erst erfolgte der überbordende Abgabenzwang und damit der Widerstand der Produzierenden.
Deutliche herausragende Beispiele findet man an den Küsten der Nordsee, im Harz und in Böhmen, aber auch in Brasilien und Nordamerika.
- Während sich in den beiden vorangegangenen Jahrhunderten vor der sog. Frühbürgerlichen Revolution eine entsprechend langsame
Übergangsentwicklung von den Produktionen in den ländlichen markgenossenschaftlichen Gesellschaften hin zu allseitig
geführten Ware-Geld-Beziehungen vollzog, lokal in unterschiedlichen Tempi und nur in Ausnahmefällen beschleunigter,
wie die Hussitengeschichte zeigte, so offenbart die anschließende Frühe Neuzeit eine qualitative neue
Entwicklungsgeschwindigkeit beim Übergang zur Ware-Geld-Beziehung.
Als Treibmittel erwies sich die (historisch gesehen) schnelle massenwirksame Verbreitung von Geld-Münzen in allen Wirtschaftsbereichen,
das mit den Edelmetalllieferungen aus den Plünderungen amerikanischer Vorkommen eine materielle Grundlage erhielt.
Die stabile Organisation der europäischen Kirche in den zwei Jahrhunderten zuvor begünstigte die moralische Fehlorientierung und die
orgabisationstechnischen Rahmenbedingungen für die Ware-Geld-Wirtschaft.
- Die sich fast schlagartig in der gesamten Gesellschaft verbreitende Habgier, und zwar besonders als Habgier nach Geld-Münzen begann
oben, an der Spitze der Gesellschaftspyramide (z.B. Ausmaße des Geldspeichers im Papstpalast von Avignon)
und setzte sich dann ausbreitend bis nach unten vollständig durch, je schneller desto destruktiver.
Sie erreichte schließlich jedes entfernte Dorf, das lange davon unberührt blieb, weil zuvor der
Austausch untereinander lebensfreundlicher funktionierte und nicht, wie nachträglich behauptet, auf ein schreckliches
Minimalexistieren beschränkt blieb. Aber seit jedes abseitige Gebiet vom Münz-Geld erreicht werden konnte, wurde es auch möglich,
Geldabgaben daraus zu erheben! Und fast wie selbstverständlich finden sich dann als schlimmste finanzielle Abgabeneinforderer
die von außerhalb der jeweiligen Markgenossenschaft agierenden professionellen Vertreter des hohen Kirchenapparats.
- Für die tabellarisch aufgeführten Bauernaufstände wird kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben.
- Die historische Darstellung sozialer Kämpfe offenbart immer einen Parteigeist des Schreibenden. Selbst ein Historiker,
der von sich behauptet, völlig neutral die Verhältnisse darzulegen, zeigt eine Form der Parteinahme.
Der immer größer werdende zeitliche Abstand gestattet jedoch
eine sich ständig erweiternde objektivere Darstellungsform der Ereignisse und zwingt nicht mehr zur Anwendung profaner
Propagandamethoden.
Werden solche dennoch von einigen Historikern hin und wieder verwendet, sind sie sehr viel leichter zu durchschauen.
Allerdings nehmen mit dem zeitlichen Abstand auch die gegensätzlich gerichteten Darstellungen zu.
Damit muß sich jedoch jeder historisch Interessierte abfinden. Und eigentlich sind gerade die gegensätzlichen Wertungen
das Spannende an der Historie.
- Spannend bleiben auch die Protestaktionen der Bauern in der Gegenwart. Vermutlich widerspiegeln diese zuerst
den zunehmenden Gegensatz zwischen Stadt und Land. Das Verhältnis der jeweiligen Bevölkerungsanteile hat sich umgekehrt.
Die Stadtbevölkerungszahlen steigen schneller und schneller. Die wachsende Produktivität in der Landwirtschaft konnte
immer noch genügend Lebensmittel bereit stellen. Auffällig ist, das die Auffassungen über die Produktion selbst nun von
Städtern bestimmt werden, die einer geistigen Monokultur schon sehr nahe kommen. Jetzt steht der Schutz der Natur an erster
Stelle. Das hat auf Dauer ungeahnte Auswirkungen. Wurde auf dieser Web-Seite noch im Jahr 2006
die Fiktion einer Luftsteuer belacht, ist sie heute in Form der CO2-Abgabe bereits Gesetz. Jegliche gesteuerten Grenzwerte und
Zahlenvorgaben erweisen sich nicht selten bei näherem Betrachte als Produktionshemmer. Die Verteuerung von Energie (jeder Energieart)
verkennt, das Energie ein grundlegendes Mittel zur Erhöhung von Arbeitsleistung und Effektivität darstellt. Energie wird in jedem
Arbeitsprozeß benötigt. Die menschliche Arbeitskraft ist nun einmal durch die Natur begrenzt.
Wenn durch Sateliten die Landwirtschaft überwacht wird, können die örtlichen Probleme sicher als sehr klein wargenommen werden.
Zuweilen werden sozialen Kämpfe als Folgen von Wetterveränderungen angeführt, meistens dann, wenn nachweisbar ist,
das die herrschenden Schichten gravierende gesellschaftszerstörende Ausbeutungspraktiken an den Tag legen. Typisches Beispiel
sind die großflächigen Abholzungen der Regenwälder, die zu Wetterveränderungen führen. Unklar sind auch die Auswirkungen, der in
Weite und Höhe ausgedehnten Windkraftanlagen für die relative Stabilität der sehr fragilen Strömungsverhältnisse
im Luft-Ozean. Eine Reihe von Riesenwindrädern wirkt energetisch gesehen wie ein neues Gebirge. In Europa sind
die Bodenverteilungskämpfe in eine neue Phase getreten. Über Gesetze, die die Natur schützen sollen, werden Zugangsmöglichkeiten
für internationale Interessengruppen geschaffen. Die örtlichen Bauern können zumeist die horrenden Folgekosten nicht leisten, wie das
aktuellste Beispiel der Bauernproteste in den Niederlanden offenbarte.
Die Geschichte der Bauernkämpfe ist also noch längst nicht an ihrem Ende.
Notizen Bauernkriege Problemstellungen / Hans Holger Lorenz / (28.10.2013)(27.07.2017)(30.10.2024)
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