In der Geschichte der schwedischen Bauernschaft kann man eine gewisse Besonderheit gegenüber der Lage der Bauern in anderen europäischen Gebieten feststellen: sie verfügten über einen wesentlich größeren Anteil des Bodens und ihre Arbeit war historisch länger von Gemeinschaftlichkeit gekennzeichnet. Diese freien Bauern besaßen auch das Recht, Waffen zu tragen, eine Erfordernis bei der Kolonisation der unbesiedelten Waldgebiete. Diagramm 1: Bodenanteile in Schweden um 1521 Ein stolzes Volk, das gewohnt war, die Arbeit gerecht aufzuteilen und die Freiheit des Einzelnen zu achten.
Nun hatte sich ein Teil der schwedischen Adligkeit mit dem dänischen König überworfen und die führenden Köpfe
dieser Opposition wurden beim Stockholmer Blutbad getötet. Gustav Wasa war dem durch Flucht nach Lübeck entgangen und
die Stadt verhalf ihm mit Schiffen und Geld zur Macht. Die daraus resultierenden hohen Geldforderungen
an die Schweden wollte Gustav Wasa durch Sondersteuern eintreiben. Diagramm 2: Bodenanteile in Schweden um 1527 Unterstützten die Dalarnabauern Gustav Wasa noch bei der Erlangung der schwedischen Krone,
begehrten sie bereits
1527 auf und einer ihrer Anführer ging als ⇒ Daljunker in die schwedische Historie ein. Dem wurde auf
königlichem Druck ein Jahr später in der Hansestadt Rostock der Prozeß gemacht. Bereits 1529 zeigte sich eine weitere Aufruhr
im Småland, die von katholischen Priestern angeführt wurde, deren Unruhe aus den Enteignungsvorgängen resultierte. Die
eigentlichen Ursachen und Hintergründe mochten jedoch die Steueranforderungen und die neue gegen den ehemaligen Verbündeten
Lübeck gerichtete Politik des Königs sein. Diese Wendung schädigte u.a. die schwedischen Fleisch-und Butterexporte.
Eine kleine geschichtliche Randnotiz beschreibt die Tatsache,
das Kaiser Karl V. weder die protestantischen
Bauern 1525 bei ihrem → Großen Deutschen Bauernkrieg
in ihrem Hilfe-Ruf nach seiner Kaiserhoheit unterstützte, noch den aufrührerischen katholischen Bauern 1542 in Schweden
unter Nils Dacke Hilfe zukommen ließ, obwohl es zu beiden gesellschaftlichen Kräften politische Kontakte gab.
Dafür kann man verschiedene Erklärungen suchen. Die erste mag man darin finden, das sich ein Kaiser
grundsätzlich nicht mit Angelegenheiten von Bauern ernsthaft beschäftigte, es sei denn, er befahl die
Niederschlagung von Revolten. Solches hatte Karl V. bereits 1520 in Spanien erfolgreich
beim Sieg über den → Aufstand der Comuneros getan,
obwohl er damit der spanischen Wirtschaft Schaden zufügte.
Der Hafen Kalmar an der Ostküste bildete im Februar 1543 zwangsläufig das Ziel der Dacke-Leute. Manche vermuten,
das dabei in Dackes Kalkül stand, deutsche Truppen
hier anlanden zu lassen. Aber auch Gustav Wasa soll sich
um deutsche Landsknechte bemüht haben. Jedenfalls schlug der Angriff fehl und die Aufständischen zogen sich in die
weniger bewohnten Gegenden Smålands zurück. Im Winter
des Jahres 1543 fand auf dem Eis des Hjorten-Sees bei
Virserum die entscheidende Schlacht zwischen den Bauern und dem Heer des Königs statt. Auf Seiten Gustav Wasas I.
sollen, nach unterschiedlichen Aussagen, dänische oder
deutsche Truppen gekämpft haben. Jedenfalls unterlagen die
Bauern und Nils Dacke ist vermutlich schwer verletzt entkommen. Unter Obhut katholischer Priester
gesund gepflegt, kämpfte er mit wenigen Getreuen im Juni weiter und wurde dabei in den Wäldern um Rödby
getötet. Nach unterschiedlichen historischen Angaben über das Ende des charismatischen Bauernführers Nils Dacke
wurde seine Leiche gevierteilt und sein Kopf in
Kalmar öffentlich ausgestellt. Die Anhänger Dackes wurden noch lange
verfolgt und von ihren Höfen (sogen. Dackehöfe) vertrieben.
Die starke Zentralisierungspolitik Gustav I. Wasa wurde in den folgenden Jahrzehnten von den Herrschern fortgesetzt und trug immer ausgeprägtere Züge der Expansion. Mit den Folgen des Dreißigjährigen Krieges, der auch ohne direkte Kriegseinwirkungen die schwedische Bevölkerung stark belastete, veränderten sich die Besitzanteile am Boden und damit auch die soziale Struktur. Diagramm 3: Bodenanteile in Schweden nach der Grossen Reduktion um 1680 Noch später, im 19. Jahrhundert
wurden mit der sogenannten Flurbereinigung viele Dorfgemeinschaften fast aufgelöst
und die Bauern errichteten neue Wohnstätten auf ihrem auseinandergezogenem Bodenbesitz. Daraus erklärt
sich die starke Separation der Höfe, die heute noch das ländliche Leben
Schwedens in manchen Gebieten prägen.
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Zeittabelle | |
um 1500 | Es wird vermutet, das Nils Dacke im Dorf Hult bei Vissefjärda geboren wurde. |
1527 (?) | Erhebung armer Dalarnabauern |
1528 | Am 25. September wurde ein Anführer der Dalarnabauern, genannt der Daljunker, auf Druck des schwedischen Königs in der Hansestadt Rostock zum Tode verurteilt. Sein weiteres Schiksal ist unbekannt. |
1529 | Im April begann ein Aufstand in Småland, der durch königliche Versprechungen über Steuersenkungen beendet wird. |
1531 | Die Reichsversammlung in Örebro beschließt auf Drängen des Königs das Einschmelzen der größten und schönsten Glocken oder
ihr Kupfer- und Silberwert ist an die königliche Kammer einzuzahlen. Diese Glockensteuer ist der Auslöser der dritten Erhebung der Bauern und Bergleute in Dalarna. |
1536 | Bei Unruhen in Småland hat Dacke vermutlich einen Vogt des Königs getötet und er wird verfolgt. Als seine Heimat wird Södra Möre angegebn, auch soll er in Blekinge gewohnt haben. |
1538 bis 1543 | Einige Historiker Schwedens bezeichnen diese Zeit als deutsche Periode. |
1539 | Einführung einer Extrasteuer durch Gustav I. |
1540 | Königliche Maßnahmen zur Kontrolle über das Wirtschaftsleben Schwedens. Deutsche Berater des Königs bestimmen das Nutzungsrecht der Bauern am Boden. Sogenannte Steuerbauern, die ihren Zahlungen nicht nachkommen, können von Haus und Hof vertrieben werden. Die schwedischen Bauern betrachteten jedoch den Haus- und Bodenbesitz grundsätzlich als familiäres Eigentum. |
1542 | Die Bauern in Smaland erheben sich zu Sommeranfang. |
1542 | Am 8. November schließt Nils Dacke mit dem König Gustav Wasa I. ein Friedensvertrag und stoppt seinen Vormarsch auf Stockholm. Die Bauernarmee verschanzt sich statt dessen zeitweilig in der Festung ⇒ Kronoberg, einen Stundenmarsch von Växjö entfernt. |
1543 | Im Februar versucht Nils Dacke den Hafen ⇒ Kalmar an der Ostküste zu erobern, der Angriff mißlingt. Ziel war der Zugang zu einem Ostseehafen. Angeblich waren Dacke Landsknechte des mecklenburgischen Herzogs und des Pfalzgrafen versprochen. |
1543 | Am 20. März besiegte ein dänisch-schwedisches (?) (oder deutsch-schwedisches ?) Heer bei Virserum das Bauernheer. Nils Dacke mußte schwer verletzt flüchten und wird von katholischen Geistlichen und småländischen Anhängern verborgen. |
1543 | Im Juni bleibt Nils Dacke nur eine kleine Kämpferschar treu, in den letzten Kämpfen in den Wäldern von Rödby in Nordblekinge findet der Anführer auf dänischem Territorium den Tod. |
1652 bis 1653 | Hundert Jahre später fand die Verteilung der Ländereien zugunsten Adliger weitere Fortsetzungen. Die erneuten Bauernaufstände in den Provinzen Småland und Närke wurden grausam niedergeschlagen. |
Quelle | ||
Nils Sture | auch der Daljunker genannt. Anführer eines Bauernaufstandes der Dalarnabauern, am 25. September 1528 in Rostock zum Tode verurteilt... | Jörg-Peter Findeisen Schweden • Von den Anfängen bis zur Gegenwart Verlag Friedrich Pustet Regensburg 1997 S. 89-90 |
Laurentius Andreae | Erklärte seit 1524 als Erzdiakon des Domkapitels Strängnäs, das der Besitz der Kirche Eigentum des Volkes sei. Unterstützer der Kirchenreformation Gustav Wasa I. in Schweden, Übersetzer der Bibel in's Schwedische. | Jörg-Peter Findeisen Schweden • Von den Anfängen bis zur Gegenwart Verlag Friedrich Pustet Regensburg 1997 S. 94 |
Gustav Wasa | Stieg von einem in der Opposition stehenden adligen Gutsherren bis zum König der Schweden auf.
Dem Stockholmer Blutbad entgangen und aus der Haft in Dänemark nach Lübeck entflohen, kämpfte er mit den aufständischen
Dalkerlen (Dalekarlier) und Småländern gegen den dänischen König Christian II. Gustav Wasa wurde 1521 zum Reichsverweser und 1523 zum König gewählt. Aus Sicht schwedischer Historiker hat er sein Reich wie seinen eigenen Gutsbesitz verwaltet. |
Jörgen Weibull, Mitglied der Kgl. Schwedischen Akademie Schwedische Geschichte Schwedisches Institut Stockholm 1994 S.30 ff |
- | Jörgen Weibull Schwedische Geschichte Schwedisches Institut 1993 ISBN 91-520-0315-9 |
- | Jörg-Peter Findeisen Schweden • Von den Anfängen bis zur Gegenwart Verlag Friedrich Pustet Regensburg 1997 |
- | Günter Barudio Gustav Adolf der Grosse - Eine politische Biographie S. Fischer Verlag Frankfurt am Main 1982 ISBN 3-10-004205-0 |
- | M.M. Smirin u.a. Weltgeschichte in zehn Bänden Band 4 VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften Berlin 1964 |
- | Evamaria Engel, Bernhard Töpfer u.a. Deutsche Geschichte in zwölf Bänden Band 2 VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften Berlin 1983 |
- | Diagramme über die Bodenanteile (1),(2),(3): H.Lorenz nach verschiedenen Angaben aus: Jörgen Weibull, Schwedische Geschichte, Schwedisches Institut 1993 |
- | Fotos: • Getreidebündel im Wappen der Vasas / Wappendarstellung am Rumpf des 1628 gesunkenen Vasa-Schiffes (Hans Lorenz 2011) • Denkmal für den Bauernaufstand des Nils Dacke in Virserum (Hans Lorenz 2011) • Seeseite der Festung Kalmar (Hans Lorenz 2011) • Der Hjörtensee bei Virserum (Doris Lorenz 2011) • Die Nils Dacke in Trelleborg (Hans Lorenz 2011) |
Anders als in Deutschland pflegen die Schweden auch die historischen Persöhnlichkeiten ihrer aufrührerischen Bauern. So heißt ein 1995 in Dienst gestelltes Schiff der TT-Line nach dem legendären Nils Dacke. In den deutschen Flotten ist keine Thomas Müntzer aufgezählt. | |
Die Nils Dacke mit geöffneter Bugklappe im Hafen von Trelleborg |
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Die Nils Dacke von Deck der ablegenden Huckleberry Finn im Hafen von Trelleborg (August 2011) |
weiterführende Links | |
Nils Dacke | in: ⇒ Wikipedia |
Vasa-Museum Stockholm | ⇒ www.vasamuseet.se |
Bilder vom Schiff Nils Dacke | ⇒ www.schiffbilder.de |
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