Was folgte nach der Niederlage der Bauern 1525? |
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Deutschland 1525 - Auferstehung (Bildausschnitt)
Horst Sakulowski 1974 Inhalt
ausgewählte Zeitereignisse
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Territoriale Zersplitterung
Am verhängnisvollsten für die nachfolgenden Generationen nach 1525 war die territoriale Zersplitterung der deutschen Lande.
Auch wurden mit größter Selbstverständlichkeit Kriege weiter geführt, so als habe es die Erhebung des Gemeinen Mannes nie gegeben.
Die römisch-deutschen Kaiser
führten nach 1525 geradezu weltumspannend Gefechte zu Land und zur See. Sie beschränkten sich nicht nur auf europäischen Feldzüge gegen den
Französischen König Franz I. [1526-1529 ; 1536-1538; 1542-1544; und später noch gegen dessen Sohn Heinrich II. (1552-1559)].
Deutsche Patrizier, besonders zu nennen die Fugger, so erzählen uns die Historiker, haben es oft mit finanziert. Dabei vergessen sie
in der Regel, das es wohl mehrheitlich die Bauern bezahlen mußten.
Der Eigennutz rückt an die Spitze der Werteskale |
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Religiöse Intoleranz breitet sich aus Erscheinen uns die Jahre des Bauernkrieges als eine fanatische Zeit, so sind die folgenden hundert Jahre in den deutschen Landen von viel schlimmeren Fanatismus und Haß der verschiedenen christlichen Glaubensrichtungen aufeinander gekennzeichnet. Alle Versuche einer Einigung im Sinne der nach 1525 veraltet erscheinenden humanistischen Ideale scheitern. (Das Jahr 1618 wird dafür den letzten Beweis liefern.) Dabei hatten die Intellektuellen bereits wesentlich bessere Gesellschaftsordnungen konzipiert. 1521 brachte Eberlin von Günzburg seine Wolfaria in den Druck und 1524 erschien Thomas Morus's Utopia zum ersten mal in Basel in deutscher Übersetzung. Die Tiroler Landesordnung des Michael Geismeier, 1526 aufgesetzt, erreichte schon fast das Niveau eines Gesetzbuches bewußter Planwirtschaft. Eine interessante Rolle in dieser Sammlung utopischer Schriften kommt der Flufgschrift des Hans Hergot Von der newen Wandlung eynes christlichen Lebens zu und die Bibelstelle Lukas I,46-55 bildete eine Quelle für die Zukunftsideale des Thomas Müntzer für seinen theologischen Kommentar in der Ausgedrückte Entblößung. (10) Er übt Gewalt aus mit seinem Arm
und zerstreut die hoffärtig sind in ihres Herzen Sinn. Er stößt die Gewaltigen vom Stuhle und erhebt die Niedrigen. Die Hungrigen füllt er mit Gütern und läßt die Reichen leer (11) Doch nach der Niederlage war die Zeit für Utopien vorbei, vereinzelte Spontanaktionen erstickt, unbelehrbare Dissidenten verfolgt und eingekerkert. Die einzige Fluchtmöglichkeit schien die Hinwendung zum christlichen Gott zu sein. Aufmüpfigkeiten, auch religiös verkleidete, wurden jedoch nicht mehr geduldet. Allein schon wer sich wiedertaufen ließ, wurde nach dem 1529 auf dem Reichstag zu Speyer beschlossen Wiedertäufermandat hingerichtet. Bis 1533 hatte man etwa 700 Täufer getötet. In Exsisheim schätzte man sechshundert umgebrachte Teufel, in Tirol und Graz gar Tausend. Man scheute sich nicht mehr vor Massenhinrichtungen, auf katholischer wie protestantischer Seite. (12) Das Morden suchte sich breitere Bahnen, denn nun erreichten die Hexenverfolgungen, von denen wir heute wissen, das sie nicht zuletzt der Bereicherung dienten, ungeheure Ausmaße. Die jahrzehntelangen Bemühungen zur Wiederherstellung des Aberglaubens, derselben Gespensterseherei, die die Kirchen Jahrhunderte zuvor mutig bekämpften, trugen nach 1525 für die neu und überall auftauchenden Inquisitoren und Richter reiche Früchte. Die Folter, in ihrer gesellschaftlichen Auswirkung auf die Psyche der Allgemeinheit (interessanterweise von heutigen Historikern heruntergespielt), verbreitete ein Klima entsetzlicher Ängste. Jede Angst macht der Wahrheit ein Ende. Im Volk setzten sich zur Scheelsucht auch unsinnige Furcht und Hysterie fest. Unbildung und Astrologie - die offensichtlich immer funktionierenden Mittel für eine Unterwürfigkeit der Bevölkerung, wucherten in den verängstigten Seelen. Menschen aus allen Schichten betrieben Denuntiationen aus Angst und aus Neid. Damit es noch einmal deutlich wird, hier ist die Rede von religiöser Intoleranz innerhalb christlicher Glaubensrichtungen. Da ist noch nicht die besondere Verfolgung selbsdenkender Wissenschaftler genannt. Jene galten als teuflische Zauberer, gar von Hexen geboren. Der Christ Giordano Bruno, gleichermaßen verfolgt von Katholiken, Lutheranern und Calvinisten, wurde öffentlich verbrannt. Der Christ Johannes Kepler mußte seine Mutter im Hexenprozeß verteidigen! In den verschiedenen kleinen deutschen Territorien stritt man im wahrsten Sinne des Wortes mordsmäßig um die Frage, welche der christlichen Religionen die richtige sei. Niedergang in der bildenden Kunst Die unkultivierte Niederschlagung der wichtigsten Schicht, also der Nahrungsmittelproduzierenden, hatte tragischste zivilisatorische Folgen in den deutschen Landen. So leitete sich ein beispielhafter kultureller Niedergang ein, deutlich erkennbar in der bildenden Kunst, die immer gesellschaftlicher fungiert als andere Künste. Hier bestimmte nach der militärischen Niederschlagung der progressiven Kräfte der Gesellschaft nur noch der Geschmack der zum produktiven Schaffen völlig unfähigen Fürstenschicht. Wir können heute genaustens verfolgen, wie fast schlagartig eine ganze Richtung in der Architektur, in der Malerei und in der Plastik einfach verschwindet. Diese Heroen aus den künstlerischen und intellektuellen Formationen in der Schlacht um die Realisierbarkeit der Evangelien auf Erden, sind innerhalb weniger Jahre so gut wie ausgestorben. Es gibt in den deutschen Landen keinen nach Dürer, keinen nach Riemenschneider, keinen nach Grünewald und keinen nach Fischer. Jörg Ratgeb wurde gevierteilt und der Sohn Holbeins ging lieber ins Ausland. Was hier in den folgenden Jahrzehnten und Jahrhunderten kommt ist Repräsentationslust und Protzerei. Der Manierismus ist eine Kunst für reiche Taugenichtse und Parasiten. Zuweilen ist er schön anzusehen, aber viel Seichtes, oft nicht einmal die Andeutung einer Frage nach den Wurzeln wahren Christentums. Aus dem Triumph der kleinen deutschen Landesfürsten (13) wurde ein tragisches und dauerhaftes Schisma im großen Christentum und viele kleinliche Schismerei in Wissenschaft und Kultur, in Produktion und Gesellschaft. |
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Nachtrag Ein Berner Chronist schätzte die Zahl der Todesopfer des Grossen Deutschen Bauernkrieges und der anschließenden blutigen Abrechnung
auf 130 000.(1)
Die Angaben schwanken in den Zahlwerten zwischen 50 000 und eben diesen 130 000. Je dichter wir der
Gegenwart kommen, um so kleiner werden die Zahlenangaben und nähern sich der Auffassung eines Jakob Fuggers,
eine nicht uninteressante Anpassung moderner Historiker. Aus den alten, uns überlassenen Berichten
aber können wir erahnen, das bei fast allen dieser Kämpfe die Bauern eine friedliche Alternative vorgschlugen.
Das hatte nichts mit Feigheit zu tun, sondern damit, das Bauern und Handwerker eigentlich keine Soldaten sind.
Hier formierten sich arbeitende Menschen unbeholfen zu bewaffneten Abteilungen. Die Anerkennung der Rechte des
gemeinen Mannes hätte gewiß eine menschlichere gesellschaftliche Entwicklung gestattet. Allein primitive Habgier und ungebändigte
Herrschsucht der Fürsten, weltlicher wie kirchlicher, ließen eine solche nicht zu. Die Rachsucht der Sieger verödete Landstriche für
Jahre. Große Gebiete blieben für lange Zeit rückständig. Statt mit kluger Hand die Geschicke ihrer Fronländereien zu steuern,
brachten die Unterwerfungsstrategien der Herrschenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Rückschritt (Ausnahmem
bestätigen die Regel). Der Werdegang der deutschen Lande führt tendentiell immer nachvollziehbar,
hundert Jahre später in die Katastrophe des Dreißigjährigen Krieges.
Nicht von ungefähr bietet sich auch ein Vergleich mit der Gegenwart an. So fehlt beispielsweise der heutigen öffentlichen Darstellung der Habgier deutlich die Kraft moralischer Entrüstung und Empörung. Diese Kraft scheint irgendwie seit 1989 abhanden gekommen zu sein. Eine zielgerichtete Entfremdung vom Wert der Gemeinnützigkeit und die Huldigung der Eigennützigkeit zeigt sich als Hauptgegenstand intensiver Medienaktivität. Menschliche real produktive Arbeit - insbesondere die Arbeit der Bauern - findet wenig oder kaum gesellschaftliche Anerkennung - von Arbeit "im niederen Lohnsektor" schon garnicht zu reden. Seit 1989 fehlt ein Gegenpart. Waren die 1990er Jahre vielleicht noch den Wirren eines Umbaus zuzuordnen, bleiben aus den ersten zehn Jahren des neuen Jahrtausends ganz andere Erscheinungen festzuhalten. Es scheint, als tendiere die Entwicklung richtungsumkehrend in ein neues Mittelalter. Resultierten aus den Umbrüchen in den Ware-Geld-Beziehungen vor fünfhundert Jahren die spezifischen Probleme der Neuzeit so könnten die heutigen Geld-Ware-Beziehungen umkehrend in mittelalterliche Verhältnisse führen. (b) |
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Anmerkungen (a) Der Schmalkaldische Krieg 1546 bis 1547, (auch: Erster Deutscher Krieg) wirkt aus heutiger Sicht wie ein Modelfall für den Dreißigjährigen Krieg. Die Heere aus angeworbenen Söldnern, wenig Landesverbunden, oft unterbezahlt, versorgten sich brandschatzend und plündernd. Unsichere Verkehrswege, zerstörte Dörfer, allgemeine Verarmung und eingeschleppte Seuchen führten in den betroffenen Regionen zum wirtschaftlichen Niedergang. Beiden Kriegsparteien gingen ständig die finanziellen Mittel aus, u.a. im Zusammenhang mit der erwähnten → Preisrevolution. Erstmalig wurde die Kriegsführung mit dem Medium Presse unterstützt. Von da an läßt sich bis in die Gegenwart verfolgen, wie Presse sich immer wieder und viel zu leicht als Kriegshetz-Organ mißbrauchen läßt. (b) Damalige Entwicklungen ließen das Wesentliche der menschlicher Arbeit für die Gesellschaft unsichtbar werden und schafften die Voraussetzung dafür, dem Geldbesitzer völlig ungehinderten Anspruch auf fremde Arbeitsleistung in beliebiger Menge zuzusprechen. Der Geldnichtbesitzer hatte diese Arbeit zu leisten. Die heutigen Entwicklungen machen den »Wert« einer Ware unsichtbar. Dem Besitzer großer Geldmengen wird die völlig ungehinderte Freiheit zugebilligt, Preise weltweit selbst festzulegen. Sein Reichtum, als elektronische Daten irgendwo weltweit auf schwer zugänglichen Servern gespeichert, unterliegt in Wirklichkeit keiner Kontrolle mehr in der realen Welt. Die Funktionen des Staates sind technisch nahezu ausgehebelt. Der Politologe Friedrich Engels beschrieb die Problematik andeutend bereits 1894: "In der entwickelten kapitalistischen Produktionsweise weiß kein Mensch, wo die Ehrlichkeit aufhört und die Prellerei anfängt. Aber es wird immer einen bedeutenden Unterschied machen, ob die öffentliche Gewalt auf der Seite des Prellers oder des Geprellten steht."(15) |
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Notizen Deutscher Bauernkrieg • Hans Holger Lorenz • 27. Februar 2021 • WB- To