Hambacher Fest 1832



Friedrich Engels begann seine Arbeit über den deutschen Bauernkrieg mit dem Satz: "Auch das deutsche Volk hat seine revolutionäre Tradition."(1) Zu diesen Traditionen kann man gewiß das Hambacher Fest zählen, bei dem 1832 Tausende zur Ruine des Hambacher Schlosses zogen. Die Burg war einige Jahrhunderte zuvor niedergelegt worden, aber nicht 1525 von den aufständischen Bauern des Nußdorfer Haufens. Dieser Aufgabe widmete sich 1552 vielmehr ein protestantischer Markgraf mit seinen katholischen Landsknechten. Hier soll die Rede sein von Ereignissen, die dreihundert Jahre später auf dem Berg bei Hambach stattfanden.

Ende der Zwanziger, Anfang der Dreißiger Jahre des 19.Jahrhunderts hatten es die Neureichen in den konstitutionellen Staaten des deutschen Südens und Südwestens so weit gebracht, das sie als liberale Opposition in Erscheinung treten konnten. Es begannen parlamentarische Debatten über Reformen der Agrarverfassungen, über bürgerliche Freiheitsrechte, zur Mitbestimmung bei Budgetentscheidungen, über Neuordnungen in den Gemeinden, Gewerbereformen und zur Zollpolitik. Man forderte zunehmend Veränderungen der Bildungseinrichtungen und eine Verbesserung der rechtlichen Lage der Juden. Immer offener wurden politische Deklarationen diskutiert. Um geltende Verbote von Versammlungen zu unterlaufen, setzte sich eine erfolgreiche Methode von Massenveranstaltungen durch: das öffentliche Feiern von Festen! Sie fanden statt z.B. als große Empfänge für Abgeordnete anderer Bundesländer oder zur solidarischen Unterstützung republikanischer Emigranten aus verschiedenen Ländern Europas.
Zu einem entscheidenden Höhepunkt in dieser Entwicklung bildete sich das Hambacher Fest am 27.Mai 1832. Am Morgen dieses Tages drängten sich etwa 30.000 Menschen (2) durch Neustadt zum Hambacher Schloß empor. (Bild 1 links) Die Leute kamen aus Bayern und Württemberg, aus Baden und Hessen-Darmstadt, aus dem Herzogtum Nassau, dem Kurfürstentum Hessen-Kassel, aus dem Stadtstaat Frankfurt/M. und aus den Königreichen Preußen, Hannover und Sachsen. Eine Frauendelegation reiste aus Polen an und republikanische Deputierte stammten aus Frankreich. Sie alle folgten einem Aufruf von 34 Neustädter Bürgern, die zu einer Maifeier aus Anlaß des Jahrestages der bayrischen Verfassung geladen hatten. Ein anfängliches Verbot der Veranstaltung bewirkte jedoch das Gegenteil und trug eher zur massenhaften Verbreitung der Ankündigung in vielen deutschen Ländern bei. Schließlich rief der militärische Ausnahmezustand über die Pfalz eine stürmische Empörung von Kleinbürgern und Bauern hervor. Der sich daraus entwickelnde Protest zog so weite Kreise, das die Regierung eine revolutionäre Krise befürchtete und mit einer Erlaubnis für ein bayrisches Landesfest nachgeben mußte.
Die Urheber der Veranstaltung verbargen ihre Überraschungen nicht, als am Vortag des Treffens lange Wagenzüge in die kleine Stadt rollten und Scharen von Fußwanderern eintrafen, die alle Winzerstuben besetzten und dort obwohl aus verschiedensten deutschen Staaten stammend miteinander als deutsche Brüder fraternisierten, Freiheit fordernd und Einheit.
Schnell reagierten die Veranstalter und faßten unter maßgeblicher Einflußnahme eines Dr.Siebenpfeiffer und eines Dr.Wirth den mutigen Entschluß, aus der Regionalversammlung ein Nationaltreffen zu machen, das tatsächlich Geschichte machen würde.
Am Sonntag, den 27.Mai 1832 formierte sich auf dem Marktplatz in Neustadt ein großer Demonstrationszug, der unter den verbotenen schwarz-rot-goldenen Farben hinauf zum Schloß zog, dessen Ruine auf der bewaldeten Höhe über dem Dorf Hambach lag. Es herrschte Festtagsstimmung, Musik und Gesang klangen durch die Straßen und zur Burg herauf. Beliebt war das "Vaterlandslied" von Ernst Moritz Arndt. Hochrufe auf Wirth und Siebenpfeiffer, Sprechchöre für Börne und für die deutsche Einheit erschallten. Hinter der anführenden Musikkapelle demonstrierten Frauen unter einer weißroten polnischen Nationalfahne, ein Ausdruck der Verbundenheit mit den polnischen Revolutionären, die aus ihrem Heimatland nach einem unglücklichen Aufstandsversuch fliehen mußten. Aus Frankreich überbrachten Deputierte der "Gesellschaft der Volksfreunde" eine Grußadresse, in der die "deutschen Brüder" zum Kampf gegen den Absolutismus und für die nationale Einheit aufgerufen wurden. Der Delegationssprecher verkündete die Absichten zu einem baldigen bewaffneten Aufstand in Frankreich.
Die deutschen Redner richteten ihre Polemik vor allem gegen die Heilige Allianz der Fürstenstaaten. Der Neustädter Arzt Dr.Hepp, der die Kundgebung eröffnet hatte, prangerte den "falschen Liberalismus" des deutschen Bürgertums an, das vor Gefahr gleich erzittere. Siebenpfeiffer stellte die biedermeierliche Beschränktheit gegenüber der Industriellen Revolution bloß (3):


"Der sinnende Geist errichtet Eisenbahnen und baut Dampfschiffe, das enge Comptoir zum Weltmarkt erweiternd, Land mit Land und Volk mit Volk zu gegenseitigem Wucher verknüpfend, aber der Bürger bleibt fremd dem Bürger, und engherzig verkrüppelt er am Rechentisch, im spießbürgerlichen Puppenspiel oder am kühnen Wagenstück eines - Schleichhandels."

Und er endete mit den Kernsätzen eines demokratischen Programms:

Es lebe das freie, das einige Deutschland! Hoch leben die Polen, der Deutschen Verbündete! Hoch leben die Franken, der Deutschen Brüder, die unsere Nationalität und Selbständigkeit achten! Hoch lebe jedes Volk, das seine Ketten bricht und mit uns den Bund der Freiheit schwört!
Vaterland - Volkshoheit - Völkerbund hoch!"


Der Hauptredner August Wirth nannte auch die Völker Spaniens und Portugals, sowie
Ungarns und Italiens als Verbündete im Kampf gegen die Heilige Allianz, forderte die Freiheit des Welthandels und kritisierte die Handelshegemonie Englands als unnatürliches Übergewicht. In Anlehnung an die Traditionen des Befreiungskrieges von 1813 sprach Wirth ausführlich über fortschrittlichen Kräfte in Frankreich, meinte jedoch, dass noch lange keine Aussichten auf revolutionäre Veränderungen im Nachbarstaat bestünden. Die Rede erhitze die Gemüter sehr und man einigte sich auf die gemeinsame Perspektive(4):

"Hoch! Dreimal Hoch leben die vereinigten Freistaaten Deutschlands!
Hoch! Dreimal hoch das konförderierte republikanische Europa!"





Radikale und gemäßigte Reden wechselten sich ab, die festliche Stimmung ermutigte jedoch immer wieder die Forderungen nach republikanischer Freiheit und Einheit (Bild 2). Unter den Teilnehmern waren auch der spätere Redakteur der Rheinischen Zeitung Karl-Heinrich Brüggemann, der Schiller zitierend die Massen zum Rütlischwur aufheizte, und Johann Philipp Becker, der die Volksbewaffnung forderte und siebzehn Jahre später selbst zum Revolutionsgeneral avancierte.

Auf diesem Vexierbild werden die Initiatoren des Hambacher Festes gefeiert, als Grußkarte getarnt.(Bild 3)

Aus dieser Stimmung resultierend, gründeten später Wirth und Siebenpfeiffer den deutschen Reformverein, den ersten offenen republikanischen Organisationsversuch in Deutschland nach den Befreiungskriegen. Ihr Programm enthielt die Volkssouveränität, die allgemeine Volksbewaffnung, eine deutsche bundesstaatliche Republik nach dem Vorbild der Vereinigten Staaten von Nordamerika und die internationale Solidarität mit allen um ihre Freiheit ringenden Völker!

Das alles also in Deutschland bereits 1832!
Damit wurde das Hambacher Fest zur ersten nationalen Großkundgebung deutscher Volksmassen, erstmals hatten sich dreißigtausend Menschen öffentlich politisch artikuliert! Erstmals wurde der bürgerliche Liberalismus öffentlich kritisch beurteilt! Eine deutsche Tradition, die heute, in Zeiten der allgemeinen Überbewertung des Neoliberalismus vergessen gemacht werden soll!
Aber man sollte nicht vergessen, das z.B. der Aufstand der französischen Republikaner, der eine Woche nach dem Hambacher Fest, am 5.Juni 1832 in Paris tatsächlich erfolgte, mit Waffengewalt von der neuen Aristokratie des Reichtums niedergeschlagen wurde.

Der Deutsche Bundestag machte mit seinen Beschlüssen vom 28.Juni und vom 5.Juli 1832 die vollständige Unterdrückung der Presse- und Versammlungsfreiheit in den deutschen Staaten möglich und leitete damit eine neue Kampagne der sogenannte Verfolgung der Demagogen ein, die als Zweite Demagogenverfolgung unrühmlich in die deutsche Geschichte eingegangen ist. Die Führer der demokratischen Bewegungen, als Demagogen diffamiert, wurden verhaftet oder flüchteten ins Ausland. Die Geschichtsschreibung hinterließ uns vom Hambacher Fest in politischer Korrektheit nur die Anwürfe nationalistischen Gedankenguts. Es soll uns vergessen gemacht werden, das man Demokraten als Demagogen bezeichnete und mit dieser Verleumdung ungeheure Repressalien gegen die eigene Bevölkerung einleitete und verschärfte, um einer bis dahin unglaublichen Neuverteilung und Privatisierung nationalen Reichtums ungestört nachgehen zu können. Erinnern wir uns also gern und oft, das auch das deutsche Volk seine revolutionären Traditionen hat...





Literatur    Quellen    Links
(1) Friedrich Engels, Der deutsche Bauernkrieg
in: Marx, Engels, Ausgewählte Werke in sechs Bänden
Dietz Verlag Berlin 1977
Bd.II S.141
siehe dazu auch:

Dateien zum Deutschen Bauernkrieg

www.bauernkriege.de

(2) Heinz Rieder
Die Völker läuten Sturm
Die europäische Revolution 1848/49
Casimir Katz Verlag Gernsbach 1997
S.25

(Bild 1) Unzeit des Biedermeiers
Historische Miniaturen zum Deutschen Vormärz
Urania-Verlag Leipzig Jene Berlin 1985
Akademie der Wissenschaften der DDR
Hrg.: Helmut Bock, Wolfgang Heise
S. 64 ff Bild 14
Zug auf das Schloß Hambach am 27ten May 1832
Anonyme Populargraphik
(3) ebenda S.85 darin:
Helmut Bock, Nationalfest bei Hambach - Deutsche Republik und europäischer Völkerbund
(4) ebenda S.86 darin:
Helmut Bock, Nationalfest bei Hambach - Deutsche Republik und europäischer Völkerbund
(Bild 2) ebenda S. 64 ff Bild 16 L.Burger, Das Hambacher Fest. Aus: Illustrierte Weltgeschichte für das Volk, Bd.8
Geschichte der Neuesten Zeit von B.Volz
2.gänzlich neu bearb. Auflage
Leipzig und Berlin 1884 S.121
(Bild 3) ebenda S. 64 ff Bild 17 Vexierbild "Wirth und Siebenpfeiffer leben hoch!"
Pfälzer Grußkarte nach dem Hanbacher fest 1832
Aus: Pfälzisches Autorum - Pfälzische Heimatkunde
Jahrgang 1832
(Bild 4) Hambacher Schloß III (6.8.2007)
Aquarell von Fritz Rick
Abb. mit freundlicher Genehmigung des Malers


Die Nutzung der Flaggen erfolgte mit freundlicher Genehmigung von
http://www.nationalflaggen.de
Die grosse Flaggensammlung im Internet







(Bild 4)
Hambacher Schloß III (6.8.2007)
Aquarell von Fritz Rick
Abb. mit freundlicher Genehmigung des Malers
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Notizen zum Vormärz / Hans H. Lorenz / HLorenz500@aol.com / 23.01.2013 WB-To