Notizen zum Text |
Über die Kriege der Bauern in Schwaben und am Bodensee sprach sich einiges herum. Mit den Flüchtlingen kamen die
Gerüchte und Ideen. So sprang die Reformationsrevolte auch auf die habsburgischen Alpenländer über.
Weil die neuen Prediger hier aber härter und bedingungsloser verfolgt wurden, dehnten sich die Kämpfe nach Tirol,
nach dem Fürsterzbistum Salzburg und in die Steiermark aus. In jener erregten Zeit machte sich einer
durch seine staatstheoretische Arbeit für immer einen Namen: Michael Gaismair.
Sein hastiger Entwurf einer Tiroler Landesordnung umfasste alles,
was an bisherigen Kampferfahrungen des gemeinen Mannes gesammelt wurde und ein neues Staatswesen ausmachen würde.
Fußnoten
(F1) Ein Historiker schrieb mitten im 20. Jahrhundert, das die Gedanken Gaismaiers ihm zum Teil gegenwärtig anmuten.
Zugleich bemängelte er ihre Utopie und kennzeichnete einige Forderungen als
Rückschritt. Mit Recht bestritt er, das das damalige Tirol, ein für seine Zeit modernes Land des Warenhandels unmöglich
in einen bäuerlichen Staat zurück verwandelt werden konnte und streng von seinem Nachbarn abzukapseln wäre. (9 S. 159)
Dem kann man entgegenhalten, das Gaismair vielleicht sein Augenmerk hier mehr auf den Abrüstungsschwerpunkt und auf den
Wunsch nach gleichen Lebensbedingungen in Stadt und Land legte. |
Jahr | Ereignis |
1525 | In Tirol führte die Unzufriedenheit über die Mißwirtschaft der Innsbrucker Regierung und ihrer
gegenreformatorischen Maßnahmen von Brixen ausgehend zum Sturm auf Klöster und Schlösser.
8. Mai Befreiung des lutherischen Predigers Heiterwang durch Bauern 24. Mai Ausbruch des Bauernkrieges als Reaktion auf die ungerechtfertigte Hinrichtung des Bauernsohns Hans Stöckl 27. Mai Salinenstadt Hallein wird von den Aufständischen besetzt 29. Mai Tumulte in der Hauptstadt Salzburg In Salzburg wütete Erzbischof Matthäus Lang mit seinen Justizverletzungen solange, bis Bauern und Bergknappen die Hauptstadt besetzten. In der Steiermark siegen die Bauern über den Landeshauptmann beim Kampf um Schladming. 3. Juni Die Aufständischen fordern die Abdankung des Erzbischofs. 6. Juni Die Stadt Salzburg öffnet ihre Tore für die Aufständischen. 3. Juli Sieg der Aufständischen bei Schladming, Gefangennahme des steirischen Landeshauptmanns Siegmund von Dietrichstein und seiner Landsknechte. [Sieg vergleichbar mit der Aktion der Bauern bei Weinsberg in Franken.(2 S.233)] 16. August Heer des Schwäbischen Bundes (unter: Herzog Ludwig von Bayern, Georg von Frunsberg) vor den Mauern der Stadt Salzburg. 31. August Waffenstillstand vermittelt. (2 S. 233) September Erzbischof Matthäus Lang und Herzog Ludwig ziehen in die Stadt ein. Der Feldhauptmann Michael Gruber legt die Fahnen der Bauern dem Kardinal zu Füßen und wechselt die Seiten. Oktober Auf Befehl Ferdinands wird das steirische Ennstal verwüstet, die Stadt Schladming zerstört und niedergebrannt. Aufständische Bauern und Schladminger Knappen fliehen in die Salzburger Gebirgsgaue und bilden dort den harten Kern der Partei, die im Folgejahr den Kampf fortsetzt. (6./7.10.) Gaismair kann aus der Haft entfliehen. Gaismair plante (Ende 1525?) vermutlich ein großes antihabsburgisches Bündnis mit den eidgenössischen Städten Zürich, Bern, und St. Gallen. Dazu gehören sollten auch Konstanz und Lindau. Weitreichender wäre das Bündnis mit der Republik Venedig und eine Verbindung mit dem König von Frankreich wurde möglicherweise auch einkalkuliert. (5 S. 86) Im Jahresverlauf 1525 verhandelte Gaismair mit dem Dogen von Venedig und dem Consiglio dei Dieci für eine Aufnahme im venezianischen Heer. Er wurde im Rang eines Capitano aufgenommen. (11 S.114) |
1526 | Januar Eröffnung des Landtages und statt der Bauernvorschläge werden neue Steuern für den Landesherrn bewilligt. Im Februar / März arbeitet Gaismair an Entwürfen für eine staatliche Organisationsform Tirols. März Der Aufstand im Salzburgischen lebt unter Führung Peter Päßlers erneut auf, aber die Stadt Salzburg schließt sich nicht an und die Bergknappen bleiben abseits. In Kämpfen im Pongau und Pinzgau verteidigen sich die Aufständischen noch erfolgreich. Mai Einige erfolgreiche Gefechte der Bauern unter Michael Gaismair. 9.Mai Der Entwurf einer neuen "Tiroler Landesordnung" entspricht einem christlich-demokratischen Knappen-und Bauernstaat. Juni Gaismair trifft mit einem Fähnlein im Salzburgischen ein und übernimmt die Führung. Radstadt und der Madlingpaß werden länger umkämpft. Gaismair versucht noch einen Vorstoß in Tirol. 2. Juli Vernichtende Niederlage in der Schlacht bei Radstadt, die Übermacht des Fürstenheeres zwing Gaismair's Einheiten zum Abzug. Gaismaier entkommt mit einer größeren Schar über die Hohen Tauern nach Lienz, fällt ins Pustertal ein und geht dann auf das Gebiet von Venedig über. 12. Juli Gaismair läßt das immer erfolglosere Unternehmen abbrechen und tritt mit einer kleinen Anhängerschar über die Grenze zur Republik Venedig, wo sie Asyl erhalten. |
1532 | Ein von Habsburgern gedungener Mörder tötet Gaismair. |
Zeitgenossen | |
Hans Gaismair | Bruder des Michael Gaismair. Trug bei seiner Gefangennahme ein handschriftliches Exemplar der von Michael entworfenen Tiroler Landesordnung bei sich, das erwähnte Kanzler Leonhard Eck am 26. April 1526 in einem Brief nach München. (3 S.67) |
Michael Gruber | Bauernhauptmann, stammte aus Bramberg im Pinzgau (2 S.230) |
Eustachius von Heiterwang | Die Verhaftung des lutherischen Predigers durch östereichischen Befehl am 15. Juni 1524 führte bei seiner Überstellung nach Salzburg am 8. Mai 1525 zu seiner Befreiung durch revoltierende Bauern. Ein junger Bauerssohn aus Bramberg(in der Nähe von Mittersill), Namens Stöckl, und ein unbekannter Bauernsohn wurden später als Rädelsführer entgegen richterlichen Gutachten in aller Stille auf einer Wiese im Nonnthale enthauptet. Nach dem Beispiel der Bauern an anderen Orten griff man nun im Salzburgischen zu den Waffen. An der Spitze des Aufstandes standen die Gewerke und Bergknappen. Gastein war der Herd des Aufruhrs, bald waren die Bauern im Pongau und Pinzgau gewonnen und das ganze Erzstift dem Aufruhr verfallen. (4) So erzählt Bessert, Beiträge zur Geschichte Tirols (Jahrbuch für Geschichte des Protestantismus in Oesterreich 1885). |
Matthäus Lang | Erzbischof von Salzburg. |
Sanuto Marino | (1466-1536) Historiker, siehe unten. Berichtete über die Ermordung Michael Gaismaiers. |
Cristel Mullner | Ein Spion Habsburgs, der Michael Gaismaier mit Junker oder Junker Michelanredete. [Q: 11 S.151 Anmerk. 656, mit zusätzl. HW: Zimmermann Nachdruck von 1891 (Ausg. 1975) S.774] |
Ottilie Müntzer | Gattin des Thomas Müntzer, sie wurde nach der Gefangennahme ihres Mannes und der Übergabe der Stadt Mühlhausen an die fürstlichen Sieger (Mai 1525) aus der Gegend ausgewiesen. → Ottilie von Gersen |
Marx Neufang | organisierte die Besoldung der kämpfenden Knappen, Bauern und Knechte, hielt Verbindung der Aufständischen Orte untereinander und leitete die Kundschafterdienste. (in 2 S. 230-231) | Peter Päßler | (auch ⇒ Peter Pässler) Südtiroler Bauernführer und Kampfgefährte Michael Gaismaiers. Gemeinsam belagerten sie ⇒ Radstadt, Pässlers Bauernheer verlor bei Zell am See die Schlacht gegen den Schwäbischen Bund. |
Kaspar Praßler | Obersster Feldhauptmann der Bauern im Pongau u. Pinzgau, hatte
Michael Gruber von Bramberg zum Hauptmann ernannt. Q: → Allgemeine encyklopädie der wissenschaften und künste, Leipzig 1834 |
Urbanus Rhegius | (9 S. 154) |
Sebastian Sprenz | Seit 1521 Bischof von Brixen. Entstammte einer bürgerlichen Familie in Dinkelsbühl/Schwaben, war mehr politisch als theologisch ambitioniert, reiste viel als Gesandter des Kaisers und dessen Vertrauten, des späteren Erzbischof von Salzburg (Matthäus Lang). |
Hans Stöckel | Bauernsohn aus Bramberg im Pinzgau. Wurde als Anführer der spontanen Befreiungsaktion des Predigers Heiterwang heimlich und ungesetzlich hingerichtet. In Reaktion darauf beginnt der Bauernkrieg in diesem Gebiet. (2 S.230) |
Jacob Strauss | (Zimmermann, Volllmerverl. S.128 / Franz S.154) |
Martin Zott | organisierte die Besoldung der kämpfenden Knappen, Bauern und Knechte, hielt Verbindung der Aufständischen Orte untereinander und leitete die Kundschafterdienste. (in 2 S. 230-231) |
Historiker | |
Sanuto Marino | (1466-1536) (auch: ⇒ Marin Sanudo) Historiker und Tagebuchautor, hielt die Ereignisse in der Republik Venedig von 1496-1533 fest.
Berichte über die Ermordung Gaismaiers: Nachts von einem Pferdehändler aus dem Bett geholt, soll Gaismaier
Goldkette und Silberdolch getragen haben, Kette als Zeichen von Rittern und Doktoren, Dolch als Zeichen
höheren militärischen Dienstgrades. (11 S.96, 151 Anm. 659) |
Albert Edwin Johannes Hollaender | (1908 - 1989) österreichisch-britischer Historiker, schrieb 1932 über Gaismair, dass der wohl: "die begabteste, umsichtigste und wohl auch gebildetste unter all den Führergestalten, die eine große religiös-soziale Umwälzung am Schlusse des ersten Viertels des 16. Jahrhunderts im Gebiete der südöstlichen Alpen hervorgebracht hat". (2 S.35) → Hollaender |
Fridolin Dörrer | (1923-2010) Hofrat, Landesarchivdirektor und Prof. an der Universität Innsbruck, Institut für Geschichte
→ Herausgeber von Die Bauernkriege und Michael Gaismair |
Max Steinmetz | (1912-1990) Historiker. "... was Gaismair groß und berühmt machte, ist sein Anteil am Bauernkrieg, ist die ''Landesordnung'' als das großartigste, am meisten durchdachte Dokument des deutschen Bauernkrieges ..." (2 S.148) |
Werner Legère | schrieb den Roman: Der gefürchtete Gaismair, (Berlin 1976). Charakterisiert M. Gaismair als Humanisten, "...der gegen die Übelstände der Zeit mit den ihm gelegenen Mitteln gekämpft hat ... ohne die in Gefahr zu bringen, für die er eingetreten war: Bauern ... Michael Gaismair der Bauernführer gewesen war, der die von ihm geführten Menschen nicht in Unglück gestürzt, sondern vor der Vernichtung bewahrt hatte." (2 S.129-130) |
Franklin Kopitzsch | zitiert 1975 einen Theologen (Bernhard Lohse), als er (erstmals?) die interessante Dualität Müntzer-Gaismair aufwirft: "Die Interpretation des Bauernkrieges im Rahmen der These von der frühbürgerlichen Revolution stößt rasch an die Grenzen der Empirie, zumal die Sonderstellung Thomas Müntzers und Michael Gaismaiers anerkannt wird. Müntzer wird immer ein Beispiel dafür bleiben, wie elementar in der damaligen Zeit das Religiöse die Menschen mitbestimmte. Sein Streben nach einer neuen Ordnung war primär religiös motiviert. ›› Aber Münzer ist doch der erste, der nach den politischen und sozialen Konsequenzen des Evangeliums fragt. ‹‹ Gaismairs Landesordnung bedarf dringend einer sozialgeschichtlichen Analyse, da Macek sie zu sehr modernisiert und Angermeier sie nicht intensiv genug in die politische Tradition und Konstellation Tirols einordnet" (6 S.198) |
Quellen, Literatur und angeführte Autoren | |
(1) | DOKUMENTE AUS DEM DEUTSCHEN BAUERNKRIEG - Beschwerden Programme Theoretische Schriften Verlag Philipp Reclam jun. Leipzig 1974 |
(2) | Hrg. F. Dörrer, Die Bauernkriege und Michael Gaismair, Insbruck 1982,
Protokoll des internationalen Symposions 15.-19. November 1976 in Innsbruck-Vill Veröffentlichungen des Tiroler Landesarchivs, Band 2 Insbruck 1982 |
(3) | Siegfried Hoyer, Die Tiroler Landesordnung des Michael Gaismair - Überlieferung und zeitgenössische Einflüsse, in [(2) S. 67-78] |
(4) | Dr. CA. Witz, Dr. Th. Haase, Dr. Eug. v.Trauschenfels, herausgegeben von Dr. Georg Loesohe, Gesellschalt für die Geschichte
des Protestantismus in Oesterreich. Wien 1900 Internet 28.04.2014 → archive.org |
(5) | Max Steinmetz, Die dritte Etappe der frühbürgerlichen Revolution
in: nyphenburger texte zur wissenschaft, Hrg. Rainer Wohlfeil, München 1975,
Der Bauernkrieg 1524-26 Bauernkrieg und Reformation Texte von Steinmetz/Fuchs/Endres/Postel/Wunder/Kopitzsch/Elkar/Sperling |
(6) | Franklin Kopitsch, Bemerkungen zur Sozialgeschichte der Reformation und des Bauernkrieges in: nyphenburger texte zur wissenschaft, Hrg. Rainer Wohlfeil, München 1975, Der Bauernkrieg 1524-26 Bauernkrieg und Reformation Texte von Steinmetz/Fuchs/Endres/Postel/Wunder/Kopitzsch/Elkar/Sperling |
(7) | Geheimnisse der Religion - Eine Anthologie, Berlin 1958 |
(8) | Philip Robinson Rössner, Deflation-Devaluation-Rebellion Geld im Zeitalter der Reformation, Franz Steiner Verlag Stutgart 2012 |
(9) | Günther Franz, Der deutsche Bauernkrieg, Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 1977 |
(10) | Ernst Hering, Die Fugger, Leipzig 1939 |
(11) | Angelika Bischoff-Urack, Michael Gaismair - Ein Beitrag zur Sozialgeschichte des Bauernkrieges, Innsbruck 1983 |
(-) | Joseph Macek, Der Tiroler Bauernkrieg und Michael Gaismair, Berlin 1965 [Tyrolská selská válka a Michal Gaismair, Praha 1960] → Josef Macek |
(-) | Heinz Angermeier, Die Vorstellung des gemeinen Mannes von Staat und Reich im deutschen Bauernkrieg, 1966 |
weitere Links |
→ Grosser Deutscher Bauernkrieg |
→ Karten zum Deutschen Bauernkrieg |
→ Müntzer und Gaismaier |
→ Geschichte Gasteins Bauernaufstand 1525/26 |
→ Geschichte Tirol Rezeption von Michael Gaismair und dem Entwurf seiner Landesordnung |
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Notizen zu den Bauernkriegen / Hans Holger Lorenz / beg.11.November 2008 / Stand: 27.10.2015 / WB-To