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Sebastian Brant's Narrenschiff ist
wohl sein Hauptwerk, eine in Reimpaaren und in deutscher
Sprache verfasste didaktische und humoristische Satire. Die Benutzung der deutschen Sprache war noch nicht selbstverständlich, sondern neu und in gewisser Weise mutig. Für die Gebildeten galt Latein als die Vorzugssprache, für die "Niederen" das Hoch- oder Niederdeutsche. Die Möglichkeiten der noch neuen Buchdruckerei wurden von schneidigen Kerlen wie Brant genutzt, um an eine breitere Leserschaft zu kommen und die deutsche Sprache weiter zu bilden und zu verbreiten. Der Grundgedanke seines umfangreichen Buches: ein Schiff fährt nach "Narragonien" und die über hundert auf ihm reisenden Narren sind die Persifikationen der menschlichen Torheiten. Aber nicht nur das, Sebastian Brant prangert zugleich jene Mißstände an, die die Gesellschaft unaufhaltsam aus ihren Fugen geraten lassen. Er war ein hochgebildeter Gelehrter und sein offensichtlicher Pessimismus wußte keine andere Lösung, als sich über diese Welt mit bitterem Humor lustig zu machen. Hier soll jedoch nur auf seine Behandlung eines sozialen Widerspruchs verwiesen werden, der durchaus im Zusammenhang mit den Bauernaufständen im ersten Viertel des 16.Jahrhunderts stand. Die von den Bauern, den Handwerkern und nicht zu vergessen von den Bergleuten erarbeiteten Schätze führten nicht zum Wohlstand breiterer Schichten der Bevölkerung. Die neuen Entwicklungen der forcierten Geldwirtschaft gestatteten es, massenhafte Finanzmittel außerhalb der deutschen Ländereien zu bringen. So flossen unglaubliche Vermögen u.a. durch den Ablaßhandel nach Rom in die Taschen des Papstes. Aber nicht nur allein dahin. Auch Kaiser Maximilian, genannt Kaiser der dreißig Kriege, ließ sich so seine fehlgeschlagenen Italienfeldzüge bezahlen. Dem noch nicht genug spendeten deutsche Handelsherren großzügige Zahlungen an spanische und portugiesische Kronen. Jene rüsteten auch mit deutschem Geld Kolonisationsflotten nach Nord-und Südamerika und nach Indien und Südostasien aus. Das Heilige Römische Reich deutscher Nation selbst zeigte eine trostlose Lage und seine Bevölkerung blieb bitter arm. Im Inland herrschte Rechtsunsicherheit und an seinen offenen Grenzen vollzog sich die Wertabschöpfung völlig unkontrolliert. Diese Zusammenhänge einer beginnenden globalisierten Wirtschaftsform konnte Sebastian Brant noch nicht sehen. Aber wie viele andere Intellektuelle seiner Zeit sah er den Beginn sozialer Spannungen, die ins Unverhältnismäßige auswuchsen und er spürte das drohende Unheil, das sich daraus ergeben würde. Da niemand etwas dagegen zu tun gedachte, vermutete er schließlich "die gantz welt lebt in vinstrer nacht." Wir finden nicht nur den Namen Sebastian Brants in den Bibliografien der (entstehenden) deutschen Literatur, die sich sozialkritischer Themen annahm. Brant, der sich allerdings nicht auf die Seite der Bauern stellte, hatte auch katholische Gegenspieler, von denen der erwähnenswerteste → Thomas Murner zu nennen ist, der in seiner "Narrenbeschwörung" viel genauer die sozialen Grundübel seiner Zeit anklagte: Juristen, die das Recht käuflich machten; Raubritter, die Bauern und Bürger ausplünderten und Pfaffen, die mit Habsucht glänzten. ⇒ Heinrich Solde, der sich vom Bauernstand zum Philologen und Mediziner Cordus empor gearbeitet hatte, ließ noch in der Zeit vor dem Bauernkrieg in einer lateinischen Ekloge (= Hirtengedicht) einen Hirten ( wie einen deutschen Bauern) heftige Kritik am Klerus, an der Rechtsprechung und an der Amtswillkür üben. So kam der Gedanke "Als Adam grub und Eva Spann..." auf. Hermann Bote, ein Zeitzeuge des Handwerkeraufstandes von 1488 in Braunschweig, beschrieb den Aufstand in seinem 1510 erschienenen ⇒ Schichtboick als einen von mehreren Aufständen in historischer Folge und wurde dafür aus den Diensten entlassen. Der → Drachen, den mutige Humanisten und Reformatoren also noch vor 1524 leidenschaftlich bekämpften, trug viele Köpfe. Ein ungeheuerliches Haupt davon sehen wir im oben abgebildeten Holzschnitt von → Albrecht Dürer: den Wucherer, auch Fürkäufer genannt. Worin bestand das Wesen des Führkaufs ? (auch: Fuhrkauf, Furkauf, Fürkauff) Breite Schichten in der Bevölkerung machten sogenannte "Fürkäufer" für die anhaltenden Teuerungen verantwortlich. Ein zeitgenössischer Chronist berichtete über die Praktiken dieses "Handels", die voraussetzte, das der "Aufkäufer" im Vorfeld des Handels über eine große Menge Geld verfügte. Die Waren wurden von ihm zuerst zu überhöhten Preisen aufgekauft, und zwar zu Preisen, die andere redliche Kaufleute nicht aufbringen konnten! Hatte der Aufkäufer schließlich alle Ware (z.B. Getreide, Mehl, Wein, Stoffe ...) einer Stadt oder eines Marktplatzes aufgekauft, besaß er das Monopol. Nun begann der umgekehrte Prozeß: jetzt konnte der Verkauf der Ware mit diktierenden Preisen erfolgen. Dabei wurden die Preise so hochgetrieben, das sich maximale Gewinne einstellten! Selbst die Reichsstände fühlten sich damit in ihren Interessen verletzt und so stellte sich ihre Mehrheit auf dem Reichstag zu Trier und Köln 1512 auf die Seite der Monopolgegner. Der Reichstag erließ ein striktes Monopolverbot und stellte die Form des "Fürkaufs" unter Strafe! Die damaligen Auseinandersetzungen hinsichtlich unredlichen Handels gleichen den heutigen. Der Tübinger Professor und "Berater" des Herzogs von Württemberg Konrad Summenhart gab um 1500 in seinem Werk "Septipertitum opus de contractibus" ("siebenteiliges Werk über Verträge") eine Beschreibung verschiedener Wirtschaftsanschauungen. Er akzeptierte (entgegen christlichem Gebot!) eine fünfprozentige Verzinsung von Kapitaleinlagen, hielt aber Monopole für "vernunftwidrig". Der Leipziger Jurist → Christoph Küppener verfaßte dagegen 1508 eine Schrift gegen den Wucher und forderte die Bestrafung der Monopolisten. Einen mutigen Schritt wagte auch der wortgewaltige → Luther, als er forderte, den habgierigsten Kaufleuten einen Zaum ins Maul zu legen, genau das schrieb er 1520 in seiner Schrift: An den christlichen Adel deutscher Nation. Zugleich gab er den Bürgern Anregungen, wie sie mit der sich ausbreitenden → Bettelei umgehen sollten. Ganz anders der Augsburger Stadtschreiber (und Humanist!) Konrad Peutinger, der in seinem Gutachten von 1507 das erste Mal den "Wettbewerb" in der Wirtschaft als "gottgewollt" darstellte. Seiner Ansicht nach war der nur dem Prinzip von Angebot und Nachfrage unterworfen. Die Praxis des Fürkaufs bestätigte das gerade nicht! |
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Zeitgenossen | |||
Enricius Cordus | (wahrscheinlich Heinrich Solde, 1486-1535), Sohn eines Bauern, Philologe und Mediziner läßt in der Zeit vor dem Bauernkrieg in einer lateinischen Ekloge (= Hirtengedicht) einen Hirten ( wie einen deutschen Bauern) heftige Kritik am Klerus, an der Rechtssprechung und an der Amtswillkür üben. Der Gedanke von "Als Adam grub und Eva Spann..." wird ausgesprochen. (Aus Lehrbriefe Potsdam / LBP S.35) |
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Joachim Camerarius | (1500-1574), Philologe, Professor der Universität Leipzig, ließ in einer Ekloge in der Zeit nach dem Bauernkrieg die Hirten über die Zerstörung ihrer Habe durch fürstliche Truppen klagen, über die Verhaftungen Unschuldiger und ihre Angst vor Willkür sprechen.(Aus Lehrbriefe Potsdam / LBP S.35) | ||
Hermann Bote | Zeitzeuge des Handwerkeraufstandes von 1488 in Braunschweig, Zollschreiber, beschrieb den Aufstand in seinem 1510 erschienenen "Schichtboick" als eine von mehreren Aufständen, ⇒ Schichten genannt, in historischer Folge. (SDB 371 S.515) | ||
Narrenschiffbrunnen Bronzeskultur (1984-1987) in Nürnberg von Jürgen Weber |
Die Brunnenplastik zitiert bildhafte Darstellungen der Holzschnitte Albrecht Dürers aus Das Narrenschiff des Humanisten Sebastian Brant. |
Literatur Quellen Links | Bemerkungen / Hinweise | |
(1) | Hrg. Ernst Ullmann Geschichte der deutschen Kunst 1470 - 1550 Malerei, Graphik und Kunsthandwerk VEB E.A. Seemann Verlag Leipzig 1985 S.67 |
Abbildung |
(2) | Hrg. Ernst Ullmann Albrecht Dürer Schriften und Briefe Reclam Verlag Leipzig 1978, 1993 S. 315 |
Reclam-Bibliothek Band 26 ISBN 3-379-00445-6 |
(3) | Hellmut Diwald Weltbild Geschichte Europas Anspruch auf Mündigkeit um 1400 - 1555 Augsburg 2002 S.228 |
ISBN 3-8289-0786-5 Nachdruck des 1975 erschienenen ersten Bandes der "Propyläen Geschichte Europas" |
Fritz Martini Deutsche Literaturgeschichte Von den Anfängen bis zur Gegenwart Kröner Verlag Stuttgart 1991 S.97 ff., S. 127 |
19. neu bearbeitete Auflage Lizensausgabe für Komet Verlag Köln ISBN 3-89836-381-3 |
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Hrg. Prof.Dr. Hans Jürgen Geerdts Deutsche Literaturgeschichte in einem Band Volk und Wissen Volkseigener Verlag Berlin 1966 S. 87 ff. |
Autoren für 1450 - 1700 : Dr.Werner Lenk, Dr.Hilde Schnabel |
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(LBP) | Joachim G.Boeckh Geschichte der deutschen Literatur im 16. und 17.Jahrhundert Berlin 1955 |
Lehrbriefe für das Fernstudium der Pädagogischen Hochschule Potsdam Als Manuskript gedruckt Bestell-Nr. 10507/4 |
SDB 371 | Hrg. Siegfried Streller Deutschsprachige Erzähler des 16. und 17.Jahrhunderts Dieterich'sche Verlagsbuchhandlung Leipzig 1986 S. 515 |
ISBN 3-7350-0002-9 Sammlung Dieterich Band 371 |
Heinrich Lutz Das Ringen um deutsche Einheit und kirchliche Erneuerung Von Maximilian I. bis zum Westfälischen Frieden 1490 - 1648 Propyläen Verlag Frankfurt a.M. Berlin |
Propyläen-Studienausgabe ISBN 3 548 04791 2 |
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Übersichten und Biographien zum Literaturunterricht Klasse 8 - 10 Volk und Wissen Volkseigener Verlag Berlin 1964 S. 10 ff. |
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Bernd Moeller, Martin Heckel, Rudolf Vierhaus, Karl Otmar Freiherr v.Aretin Deutsche Geschichte Göttingen Vandenhoeck & Ruprecht 1985 Band 2, S. 4 -10 |
ISBN 3-525-36187-4 | |
Meyers Konversations-Lexikon Dritter Band (Berlin-Bureja) Eine Encyklopädie des allgemeinen Wissens Leipzig Verlag des Bibliographischen Instituts 1874 S.639 -640 |
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Rosemary Burton, Richard Cavendish, Bernard Stonehouse Die grössten Entdecker der Welt Der historische Atlas ihrer bahnbrechenden Expeditionen Gondrom Verlag Bindlach 2002 |
ISBN 3-8112-1954-5 The Automobile Association Developments Ltd. Hampshire 1992 |
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Hans Holger Lorenz Bauernkriege in dreiundzwanzig Jahrhunderten Potsdam 2017 Ausgabe zum 500. Reformationsjubiläum |
ISBN 978-3-00-056336-2 | |
Web-Links | ||
Sebastian Brant latinisiert: Titio geb. 1457 Straßburg gest. 10.5.1521 Straßburg |
⇒ pohlw de | |
Bibliotheka Augustana nach der digitalen Ausgabe der Akademie der Wissenschaften in Göttingen ⇒ Lebensdaten |
⇒ wucher vnd furkouff | |
Sebastian-Brant-Projekt an der Uni Tübingen Verzeichnis der Straßburger Archivquellen von Sebastian Brant |
Netz 2017: http://www.uni-tuebingen.de/uni/nas/projekte/brant.htm |
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