Wucher, Fuhrkauf und Aufkauf
Auszüge aus Sebastian Brant's   Das Narrenschiff   1494

Die Wucher treiben wild Gewerbe,
zu Armen sind sie rauh und herbe,
ohn Mitleid, ob die Welt verderbe.

Wucher und Führkauf
Dem soll man greifen an die Hauben
und ihm die Zecken wohl abklauben
und rupfen die Schwungfedern aus,
wer kauft auf Vorrat in sein Haus so Wein und Korn im ganzen Land,
und fürchtet weder Sünd noch Schand,
damit ein armer Mann nichts finde
und Hungers sterb mit Weib und Kinde.
Drum ist es jetzo auch so teuer,
denn schlimmer als früher ist es heuer;
für den Wein man zehn Pfund jüngst nahm,
in einem Mond dahin es kam
das man jetzt dreißig zahlet gern gleichwie für Weizen, Roggen, Kern.
Vom Wucherzins will still ich sein,
den man von Geld und Gült streicht ein
mit Leihen, Ramschkauf und mit Borgen.
Mancher gewinnt an einem Morgen
ein Pfund mehr, als im Jahr es sollt.
Man leiht jetzt Münze aus für Gold;
für Zehn schreibt man Elf ins Buch.
...
Ich kenne viel und könnt sie nennen,
die Treiben Handel wild und schlecht,
und dazu schweigt Gesetz und Recht.
...
Doch oft dann das Geschick es lenkt,
dass mancher sich am Strick erhängt, wer, andern schadend, reich will sein,
der ist ein Narr - doch nicht allein.

   


















Dekret des Reichstages von Trier-Köln 1512 "Und nachdem etwa große Gesellschafft in Kauffmanschafften bey kurzten Jahren im Reich auffgestanden, auch etliche sondere Personen sind, die allerley Wahr und Kauffmansgüter als Specerey, Ertz, Wollentuch und dergleichen in ihre Händ und Gewalt allein zu bringen understehen, Fürkauff damit zu treiben, setzen und machen ihnen zum Vortheil solcher Güter den Werth selbst ihres Gefallens und fügen damit dem heiligen Reich und allen Ständen desselbigen marcklichen Schaden zu, wider das gemein beschriebene Kayserliche Recht und alle Ehrbarkeit:
Haben wir für Fürderung gemeines Nutz und der Notturfft nach angeordnet und gesetzt und thun das hiermit ernstlich und wöllen, daß solche schädliche Handthierung hinfüro verbotten und abseye und sie niemals treiben oder üben sol." (3)
Sebastian Brant's Narrenschiff ist wohl sein Hauptwerk, eine in Reimpaaren und in deutscher Sprache verfasste didaktische und humoristische Satire.

Die Benutzung der deutschen Sprache war noch nicht selbstverständlich, sondern neu und in gewisser Weise mutig. Für die Gebildeten galt Latein als die Vorzugssprache, für die "Niederen" das Hoch- oder Niederdeutsche. Die Möglichkeiten der noch neuen Buchdruckerei wurden von schneidigen Kerlen wie Brant genutzt, um an eine breitere Leserschaft zu kommen und die deutsche Sprache weiter zu bilden und zu verbreiten.

Der Grundgedanke seines umfangreichen Buches: ein Schiff fährt nach "Narragonien" und die über hundert auf ihm reisenden Narren sind die Persifikationen der menschlichen Torheiten. Aber nicht nur das, Sebastian Brant prangert zugleich jene Mißstände an, die die Gesellschaft unaufhaltsam aus ihren Fugen geraten lassen. Er war ein hochgebildeter Gelehrter und sein offensichtlicher Pessimismus wußte keine andere Lösung, als sich über diese Welt mit bitterem Humor lustig zu machen.

Hier soll jedoch nur auf seine Behandlung eines sozialen Widerspruchs verwiesen werden, der durchaus im Zusammenhang mit den Bauernaufständen im ersten Viertel des 16.Jahrhunderts stand. Die von den Bauern, den Handwerkern und nicht zu vergessen von den Bergleuten erarbeiteten Schätze führten nicht zum Wohlstand breiterer Schichten der Bevölkerung. Die neuen Entwicklungen der forcierten Geldwirtschaft gestatteten es, massenhafte Finanzmittel außerhalb der deutschen Ländereien zu bringen. So flossen unglaubliche Vermögen u.a. durch den Ablaßhandel nach Rom in die Taschen des Papstes. Aber nicht nur allein dahin. Auch Kaiser Maximilian, genannt Kaiser der dreißig Kriege, ließ sich so seine fehlgeschlagenen Italienfeldzüge bezahlen. Dem noch nicht genug spendeten deutsche Handelsherren großzügige Zahlungen an spanische und portugiesische Kronen. Jene rüsteten auch mit deutschem Geld Kolonisationsflotten nach Nord-und Südamerika und nach Indien und Südostasien aus. Das Heilige Römische Reich deutscher Nation selbst zeigte eine trostlose Lage und seine Bevölkerung blieb bitter arm. Im Inland herrschte Rechtsunsicherheit und an seinen offenen Grenzen vollzog sich die Wertabschöpfung völlig unkontrolliert.

Diese Zusammenhänge einer beginnenden globalisierten Wirtschaftsform konnte Sebastian Brant noch nicht sehen. Aber wie viele andere Intellektuelle seiner Zeit sah er den Beginn sozialer Spannungen, die ins Unverhältnismäßige auswuchsen und er spürte das drohende Unheil, das sich daraus ergeben würde. Da niemand etwas dagegen zu tun gedachte, vermutete er schließlich "die gantz welt lebt in vinstrer nacht."
Wir finden nicht nur den Namen Sebastian Brants in den Bibliografien der (entstehenden) deutschen Literatur, die sich sozialkritischer Themen annahm. Brant, der sich allerdings nicht auf die Seite der Bauern stellte, hatte auch katholische Gegenspieler, von denen der erwähnenswerteste → Thomas Murner zu nennen ist, der in seiner "Narrenbeschwörung" viel genauer die sozialen Grundübel seiner Zeit anklagte: Juristen, die das Recht käuflich machten; Raubritter, die Bauern und Bürger ausplünderten und Pfaffen, die mit Habsucht glänzten.
Heinrich Solde, der sich vom Bauernstand zum Philologen und Mediziner Cordus empor gearbeitet hatte, ließ noch in der Zeit vor dem Bauernkrieg in einer lateinischen Ekloge (= Hirtengedicht) einen Hirten ( wie einen deutschen Bauern) heftige Kritik am Klerus, an der Rechtsprechung und an der Amtswillkür üben. So kam der Gedanke "Als Adam grub und Eva Spann..." auf.
Hermann Bote, ein Zeitzeuge des Handwerkeraufstandes von 1488 in Braunschweig, beschrieb den Aufstand in seinem 1510 erschienenen ⇒ Schichtboick als einen von mehreren Aufständen in historischer Folge und wurde dafür aus den Diensten entlassen.


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Der → Drachen, den mutige Humanisten und Reformatoren also noch vor 1524 leidenschaftlich bekämpften, trug viele Köpfe. Ein ungeheuerliches Haupt davon sehen wir im oben abgebildeten Holzschnitt von → Albrecht Dürer: den Wucherer, auch Fürkäufer genannt.

Worin bestand das Wesen des Führkaufs ?
(auch: Fuhrkauf, Furkauf, Fürkauff)
Breite Schichten in der Bevölkerung machten sogenannte "Fürkäufer" für die anhaltenden Teuerungen verantwortlich. Ein zeitgenössischer Chronist berichtete über die Praktiken dieses "Handels", die voraussetzte, das der "Aufkäufer" im Vorfeld des Handels über eine große Menge Geld verfügte. Die Waren wurden von ihm zuerst zu überhöhten Preisen aufgekauft, und zwar zu Preisen, die andere redliche Kaufleute nicht aufbringen konnten! Hatte der Aufkäufer schließlich alle Ware (z.B. Getreide, Mehl, Wein, Stoffe ...) einer Stadt oder eines Marktplatzes aufgekauft, besaß er das Monopol. Nun begann der umgekehrte Prozeß: jetzt konnte der Verkauf der Ware mit diktierenden Preisen erfolgen. Dabei wurden die Preise so hochgetrieben, das sich maximale Gewinne einstellten!
Selbst die Reichsstände fühlten sich damit in ihren Interessen verletzt und so stellte sich ihre Mehrheit auf dem Reichstag zu Trier und Köln 1512 auf die Seite der Monopolgegner. Der Reichstag erließ ein striktes Monopolverbot und stellte die Form des "Fürkaufs" unter Strafe!

Die damaligen Auseinandersetzungen hinsichtlich unredlichen Handels gleichen den heutigen. Der Tübinger Professor und "Berater" des Herzogs von Württemberg Konrad Summenhart gab um 1500 in seinem Werk "Septipertitum opus de contractibus" ("siebenteiliges Werk über Verträge") eine Beschreibung verschiedener Wirtschaftsanschauungen. Er akzeptierte (entgegen christlichem Gebot!) eine fünfprozentige Verzinsung von Kapitaleinlagen, hielt aber Monopole für "vernunftwidrig". Der Leipziger Jurist → Christoph Küppener verfaßte dagegen 1508 eine Schrift gegen den Wucher und forderte die Bestrafung der Monopolisten. Einen mutigen Schritt wagte auch der wortgewaltige → Luther, als er forderte, den habgierigsten Kaufleuten einen Zaum ins Maul zu legen, genau das schrieb er 1520 in seiner Schrift: An den christlichen Adel deutscher Nation. Zugleich gab er den Bürgern Anregungen, wie sie mit der sich ausbreitenden → Bettelei umgehen sollten. Ganz anders der Augsburger Stadtschreiber (und Humanist!) Konrad Peutinger, der in seinem Gutachten von 1507 das erste Mal den "Wettbewerb" in der Wirtschaft als "gottgewollt" darstellte. Seiner Ansicht nach war der nur dem Prinzip von Angebot und Nachfrage unterworfen. Die Praxis des Fürkaufs bestätigte das gerade nicht!
Lebensdaten

1458 als Sohn eines Gastwirts in Straßburg geboren

1475 Studium an der Universität in Basel

1489 Doktor beider Rechte
1492 Dekan der Juristischen Fakultät der Universität Basel

1494 Erscheinungsjahr für "Das Narrenschiff" (zuerst in Basel)

1496 Professor der Rechtswissenschaften

1501 Städtischer Rechtskonsulent in Straßburg (durch Vermittlung seines Freundes Geiler von Kaisersberg)

1503 Kanzler der Stadt Straßburg

1520 Wortführer der Gesandtschaft der Stadt Sraßburg vor Karl V. in Gent

1521 (10.5) in Straßburg gestorben


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zur Person

lateinischer Gelehrtenname Titio

Herausgeber kanonischer Rechtsbücher und kirchlicher Autoren

Übersetzer von lateinischen Büchern in's Deutsche

schrieb eigene Produktionen in deutscher und lateinischer Sprache

zählt zu den wichtigsten politischen Schriftstellern seiner Zeit

von Kaiser Maximilian zum Beisitzer des Hofgerichts und zum kaiserlichen Rat ernannt



www.bauernkriege.de         

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Zeitgenossen
Narrenschiffbrunnen in  Nürnberg  von Jürgen Weber (Foto HHL 8-12) Enricius Cordus (wahrscheinlich Heinrich Solde, 1486-1535), Sohn eines Bauern, Philologe und Mediziner
läßt in der Zeit vor dem Bauernkrieg in einer lateinischen Ekloge (= Hirtengedicht) einen Hirten ( wie einen deutschen Bauern) heftige Kritik am Klerus, an der Rechtssprechung und an der Amtswillkür üben. Der Gedanke von "Als Adam grub und Eva Spann..." wird ausgesprochen. (Aus Lehrbriefe Potsdam / LBP S.35)
Narrenschiffbrunnen in  Nürnberg  von Jürgen Weber (Foto HHL 8-12)
Joachim Camerarius (1500-1574), Philologe, Professor der Universität Leipzig, ließ in einer Ekloge in der Zeit nach dem Bauernkrieg die Hirten über die Zerstörung ihrer Habe durch fürstliche Truppen klagen, über die Verhaftungen Unschuldiger und ihre Angst vor Willkür sprechen.(Aus Lehrbriefe Potsdam / LBP S.35)
Hermann Bote Zeitzeuge des Handwerkeraufstandes von 1488 in Braunschweig, Zollschreiber, beschrieb den Aufstand in seinem 1510 erschienenen "Schichtboick" als eine von mehreren Aufständen, ⇒ Schichten genannt, in historischer Folge. (SDB 371 S.515)
Narrenschiffbrunnen
Bronzeskultur (1984-1987) in Nürnberg von Jürgen Weber
Die Brunnenplastik zitiert bildhafte Darstellungen der Holzschnitte Albrecht Dürers aus Das Narrenschiff des Humanisten Sebastian Brant.





Literatur    Quellen    Links Bemerkungen / Hinweise
(1) Hrg. Ernst Ullmann
Geschichte der deutschen Kunst
1470 - 1550
Malerei, Graphik und Kunsthandwerk
VEB E.A. Seemann Verlag Leipzig 1985
S.67
Abbildung
(2) Hrg. Ernst Ullmann
Albrecht Dürer
Schriften und Briefe
Reclam Verlag Leipzig 1978, 1993
S. 315
Reclam-Bibliothek Band 26
ISBN 3-379-00445-6
(3) Hellmut Diwald
Weltbild Geschichte Europas
Anspruch auf Mündigkeit
um 1400 - 1555
Augsburg 2002
S.228
ISBN 3-8289-0786-5
Nachdruck des 1975 erschienenen ersten Bandes der "Propyläen Geschichte Europas"
  Fritz Martini
Deutsche Literaturgeschichte
Von den Anfängen bis zur Gegenwart
Kröner Verlag Stuttgart 1991
S.97 ff., S. 127
19. neu bearbeitete Auflage
Lizensausgabe für Komet Verlag Köln
ISBN 3-89836-381-3
  Hrg. Prof.Dr. Hans Jürgen Geerdts
Deutsche Literaturgeschichte in einem Band
Volk und Wissen Volkseigener Verlag
Berlin 1966
S. 87 ff.
Autoren für 1450 - 1700 :
Dr.Werner Lenk, Dr.Hilde Schnabel
(LBP) Joachim G.Boeckh
Geschichte der deutschen Literatur im 16. und 17.Jahrhundert
Berlin 1955
Lehrbriefe für das Fernstudium
der Pädagogischen Hochschule Potsdam
Als Manuskript gedruckt
Bestell-Nr. 10507/4
SDB 371 Hrg. Siegfried Streller
Deutschsprachige Erzähler des 16. und 17.Jahrhunderts
Dieterich'sche Verlagsbuchhandlung Leipzig 1986
S. 515
ISBN 3-7350-0002-9
Sammlung Dieterich Band 371
  Heinrich Lutz
Das Ringen um deutsche Einheit und kirchliche Erneuerung
Von Maximilian I. bis zum Westfälischen Frieden
1490 - 1648
Propyläen Verlag Frankfurt a.M. Berlin
Propyläen-Studienausgabe
ISBN 3 548 04791 2
  Übersichten und Biographien zum Literaturunterricht
Klasse 8 - 10
Volk und Wissen Volkseigener Verlag Berlin 1964
S. 10 ff.

  Bernd Moeller, Martin Heckel, Rudolf Vierhaus, Karl Otmar Freiherr v.Aretin
Deutsche Geschichte
Göttingen Vandenhoeck & Ruprecht 1985
Band 2, S. 4 -10
ISBN 3-525-36187-4
  Meyers Konversations-Lexikon
Dritter Band (Berlin-Bureja)
Eine Encyklopädie des allgemeinen Wissens
Leipzig Verlag des Bibliographischen Instituts 1874 S.639 -640
 
  Rosemary Burton, Richard Cavendish, Bernard Stonehouse
Die grössten Entdecker der Welt
Der historische Atlas ihrer bahnbrechenden Expeditionen
Gondrom Verlag Bindlach 2002
ISBN 3-8112-1954-5
The Automobile Association Developments Ltd. Hampshire 1992
  Hans Holger Lorenz
Bauernkriege in dreiundzwanzig Jahrhunderten
Potsdam 2017 Ausgabe zum 500. Reformationsjubiläum
ISBN 978-3-00-056336-2
  Web-Links  

Sebastian Brant     latinisiert: Titio
geb. 1457 Straßburg
gest. 10.5.1521 Straßburg
pohlw de
  Bibliotheka Augustana
nach der digitalen Ausgabe der Akademie der Wissenschaften in Göttingen
Lebensdaten
wucher vnd furkouff
  Sebastian-Brant-Projekt an der Uni Tübingen
Verzeichnis der Straßburger Archivquellen von Sebastian Brant
Netz 2017: http://www.uni-tuebingen.de/uni/nas/projekte/brant.htm




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Notizen zum Deutschen Bauernkrieg und Fuhrkauf / Hans Holger Lorenz / 29. Mai 2021 / WB-To