Viehzucht vs Umweltschutz
Bauernproteste in den Niederlanden
Ein gesellschaftlicher Konflikt der Moderne 2019 - 2022

   → Stickstoff   → Regierung und Bauern   → Heißer Sommer 2022  




Stickstoff - Dicke Luft für den Naturschutz?

Wer erinnert sich noch an das Jahr 2015? Tausende Bauern, angereist aus verschiedenen Staaten Europas, demonstrierten in Brüssel. Sie protestierten gegen den unaufhaltsamen Preisverfall der Agrarprodukte. Parkende Traktoren blockierten stundenlang das EU-Viertel. Verstörende Bilder gingen um die Welt, auf denen zu sehen war, wie Polizei Wasserwerfer gegen Landwirte einsetzte. Dennoch zwangen die Aufbegehrenden sture Behörden an den Verhandlungstisch. Warum aber stellten sich europäische Bürokraten taub? Befürchteten sie tatsächlich Butterberge? Glaubten die Europaverwalter wirklich an Monsterwellen aus Milchseen? Im Nachhinein sehr zweifelhafte Argumente angesichts der Jahre nach 2015.

Es ist eine volkswirtschaftliche Notwendigkeit, auf begrenzten Flächen produktiver zu wirtschaften. Und in Europa ist die Landwirtschaftliche Nutzfläche begrenzt. Im vergangenen Jahrhundert diente deshalb der zunehmende Einsatz von Stickstoffdünger wichtigen Ertragssteigerungen. Gegenwärtig ist klar, das diese Maßnahmen nicht linear in die Zukunft fortgeschrieben werden können. Die Überzufuhr ruft eine Störung des natürlichen ⇒ Stickstoffzyklus hervor. Umgekehrt führt langfristiger Nährstoffentzug unweigerlich zum Raubbau. Es ist eine neuzeitliche Aufgabe, stets für ein geordnetes Verhältnis zu sorgen.
Die staatliche Administration bevorzugt strengere Verordnungen für eine Steuerung biologischer Vorgänge. Finden dabei die Potentiale moderner Produktionsfaktoren entsprechende Berücksichtigung? Verfügen die verwaltenden Bürokratien über entsprechende technische Fachkenntnisse? Und welche Technologien muss ein Landwirt heute anwenden? Wissen die Gesetzgeber über modernste Technologien tatsächlich bescheid?
Beim Übergang vom 19. ins 20. Jahrhundert brachten die Wechselwirkungen von Wissenschaft und Technik rasante Erfolge. Erinnert sei hier nur an das berühmte Haber-Bosch-Verfahren, ein technologischer Meilenstein für die Vermeidung weltweiter Hungerkatastrophen. Beim Übergang vom 20. ins 21. Jahrhundert sind vergleichbare Erfolge noch nicht ersichtlich, wenn man vernünftigerweise davon ausgeht, das Fortschritt die Lebensverhältnisse der Menschen verbessern soll und nicht etwa Verschlechterung gebietet.
In der Worterfindung »Stickstoffkrise« widerspiegelt sich das Kollidieren entgegengesetzter Meinungsvektoren leider nicht. Die Erhaltung des Stickstoffgleichgewichts trifft auf die Notwendigkeit der Produktionssteigerung von Lebensmitteln bei wachsenden Bevölkerungszahlen.
Gleichzeitig sind die Interessen einer alltäglich versorgten Großstadtbevölkerung nicht wirklich identisch mit den Interessen einer Landbevölkerung, die hochkomplexe biologische Arbeitsprozesse realisiert.
Die Blaue Banane Die Regierung steht vor der Aufgabe, die Entwicklungen so zu gestalten, das die Stabilität der Gesellschaft gesichert bleibt, also sichere Versorgung und ausreichende Produktion. Macht sie das, wenn sie den technischen Fortschritt in der Landwirtschaft unbeachtet lässt und für ausreichende Investitionen nicht bereit ist? Viel zu freiwillig gibt sie einer schlicht denkenden aber zahlreicheren Stadt-Klientel nach. Sind strengere Auflagen für die Produzierenden allein die richtigen Antworten? Zählen die Argumente der Bauern immer weniger? Es gibt Einflussgrößen, die in der Debatte um die Klimakrise keine Erwähnung finden. Beispielsweise sind Städte ebenfalls Faktoren der Stickstoffzufuhr. Das unkontrollierte Wachstum zentraleuropäischer Großstädte führte zu einem Ballungsraum, den Fachleute scherzhaft die ⇒ Blaue Banane nennen. Auf der europäischen Landkarte ist diese Megaregion zu erkennen, die selbstverständlich mit Lebensmitteln täglich sicher versorgt werden muss.


Regierung und Bauern
Gebruik je verstand behoud boeren in ons Land

Verwenden Sie Ihren gesunden Menschenverstand, um die Bauern in unserem Land zu retten! Diesen Satz konnte man an einem Traktor mitten in Den Haag am 1. Oktober 2019 lesen.
Das Wort unabhängig hat in den 1990er Jahren seine Unschuld verloren. Das Forschungszentrum TNO mit Sitz in Den Haag nennt sich unabhängig und machte die Niederlande als einen der größten Stickstoffverursacher fest. Anschließend schätzten staatliche Behörden den Anteil der einheimischen Landwirtschaft an Stickstoffüberträgen mit 46 Prozent, den der Privathaushalte mit 6 Prozent und den Verkehr zu 6 Prozent. Entsprechende Verfügungen erteilten Erlaubnisse. Juristische Überprüfungen beurteilten diese Einschränkungen dagegen als zu wenig förderlich. Das Oberste Verwaltungsgericht erklärte unter Einbeziehung des Europäischen Gerichtshofes alles für ungültig, weil die Naturschutzgebiete damit nicht ausreichend geschützt würden. Jetzt wurde im Urteil die Viehzucht (!) als Hauptverursacher benannt. Das Kraftfutter setze sich nicht vollständig in Eier, Fleisch und Milch um.
Man hatte es eilig. Durch das niederländische Gerichtsurteil wurden zunächst Bauprojekte gestoppt. Und man senkte die Höchstgeschwindigkeit auf Autobahnen von 130 km/h auf 100 km/h. Ein Bündel Sofortmaßnahmen rief erste Einzel-Proteste der Bauern hervor. Dann kam der Oktober 2019. Hunderte Traktoren blockierten die Straßen. Die Sicherheitsbehörden, tüchtig in ihrer Pflicht, warnten eifrig davor, das die Beschwerden der Bauern von Verschwörungstheoretikern und politischen Extremisten vereinnahmt worden seien.

Was erscheint da notwendiger, als die sofortige Bildung eines neuen Ministeriums? Mit Beginn des Jahres 2022 nahm ein Ministerium für Natur und Stickstoff seine Arbeit auf: man gab sofort Grenzwerte bekannt. Emissionen sind besonders in der Nähe von Naturschutzgebieten um 70 bis 80 Prozent zu senken. Eine reale Umsetzung dieser Festlegungen bedeutet in vielen Fällen die Reduzierung der Viehbestände. Neue technische Lösungen stehen unter finanziellem Vorbehalt. In welche Richtung wissenschaftliche Forschung gehen soll, bleibt offen. Ökonomische Anreize orientieren darauf, das die Bauern ihre Höfe und Ställe schließen. Böswillige monieren, hier installiere sich nur eine neue Bürokratie, die in Naturschutzfragen einen politischen Aufhänger findet. Eine gewisse politische Klientel habe sich hier Existenz gesichert. Die Meinungen gehen weit auseinander.
Technokratisches Vorgehen ist tatsächlicher Schwachpunkt einer Politik, die sich vorrangig dem Schutz der Natur widmen will. Technische Daten, Karten und Formeln bieten unter Umständen Sofortlösungen an und Schicksale von Menschen geraten dabei schnell in den Hintergrund. Gefährlich wird es, wenn Einwürfe und Kritiken mit einer politischen Zuweisung versehen werden, die eher Diffamierungen ähneln als Argumentationen in der Sachfrage.
Ein gesellschaftliches Problem, leider mit dem Begriff Stickstoffkrise ungeschickt definiert, kann und darf mit Argument und Gegenargument beraten werden. Und wenn ein technokratischer Vorschlag eine zu leichte Lösung anbietet und damit soziale Verwerfungen drohen, ist es richtig, darauf aufmerksam zu machen. Ist ein gewolltes Höfesterben wirklich die einzige Lösung? Bieten technische Neuheiten andere Möglichkeiten? Ziel ist doch die Reduzierung des Stickstoffeintrages und nicht die Beseitigung landwirtschaftlicher Produktion. Ist eine technische finanzielle Unterstützung nicht besser als eine moderne (sehr rafinierte) Form des Bauernlegens? Es geht um die Produktion von hochwertigen Lebensmitteln bei wachsender Bevölkerung in einem riesigen Ballungsraum.
Die Befürchtungen der Bauern sind eher gerechtfertigt. Der Vorschlag eines zuvor nicht existierenden neuen Ministeriums könnte letztlich doch dazu führen, das sich finanzkräftige Merkwürdigkeiten die Randgebiete an den Naturschutzgebieten aneignen und letzlich erneut Umweltauflagen verletzen. Der SBB hat 2013 mit dem Verkauf von Gebieten diese Gefahr ungewollt angedeutet.
Wie auch immer, insgesamt dauerten die energischen im Oktober 2019 begonnenen Proteste in den Niederlanden über drei Jahre. Die in Belgien und Deutschland unterstützenden Bauerndemonstrationen bewiesen die Größe des Konflikpotentials.


Der heiße Sommer 2022

Seit dem 10. Januar 2022 existiert die neue Funktion einer Ministerin für Natur und Stickstoff. Diese legte am 10. Juni 2022 eine Karte vor, auf der geplante Stickstoffreduktionen dargestellt wurden. Die Bauern erkannten ihre Gebiete und zogen noch am selben Abend vor das Haus. Nach Logik dieser Festlegungen müssten die Höfe ihre Viehbestände kurzfristig erheblich reduzieren. Etwa ein Drittel der Höfe hätte schließen müssen. Die Situation spitzte sich zu als die ersten Bauern am 22. Juni Flughäfen und Autobahnen mit ihren Traktoren blockierten. Fahrverbote wurden ignoriert. Zusätzlich angezündeten Strohballen richteten sich gegen den allgemeinen Verkehr. Mancherorts leisteten sich die Bauern ein Katzundmausspiel mit der Polizei. Auf der A37 nahe der deutschen Grenze lösten sie beim Anrücken der Sicherheitskräfte raffiniert ihre Sperren auf, um sie an anderen Auffahrten sofort wieder zu errichten. Wütende Bauern hatten bereits mit Traktoren die Eisenbahn zwischen Vorden und Winterswijk blockiert und Züge am Bahnhof Lichtenvoorde-Groenlo angekettet. Im Juli blockierten ihre Maschinen die Zufahrten zu Supermärkten und Kanalbrücken. Die Blockaden richteten sich gegen die Handelsketten Jumbo, Albert Heijn und Aldi. Die Bauern beschuldigten sie, mit ihrer Vertragsgestaltung Teil des System zu sein. Leere Regale sollten zeigen, wie es ohne Produkte der eigenen Landwirtschaft aussehe. Die Regierung setzte Polizei und Tränengas ein, um die Proteste aufzulösen.
Bemerkenswert ist, das sich im Norden die Fischer den Protesten anschlossen und mehrere Häfen blockierten. Einzelne Protestaktionen richteten sich direkt gegen Regierungsmitglieder. So durchbrachen die Protestler die Absperrungen vor dem Haus der Stickstoffministerin und leerten einen Gülletank. Sicherheitskräfte nahmen Verhaftungen vor. An der A32 gaben Polizisten erstmalig Warnschüsse ab. An der Uniklinik Groningen ließen die Protestierenden angelieferte Spenderorgane sofort durch und generell wurden Krankenwagen nicht behindert.
Interessant ist bei diesen Vorgängen die Rolle von Greenpeace. Die transnationale politische Non-Profit-Organisation stellte fest, das man schon in den 1970ern vor zunehmender Düngerverwendung gewarnt habe und jetzt keine Zeit mehr sei für kleine Schritte. Konsequente Maßnahmen müssen umgehend getroffen und durchgesetzt werden.
Viele zeigten sich dagegen kompromissbereit. Am 3.Juli wurde ein ehemaliger Innenminister als Vermittler angenommen, mancher hielt den Senioren für zu regierungsnah. Doch Verhandlungen wurden wieder aufgenommen.
Diese Bauernaufrevolte macht deutlich, das es bereits gesellschaftsbestimmende gegensätzliche Interessenlagen in der modernen Gesellschaft gibt, die nicht mehr ohne weiteres ignoriert werden können. Selbst wenn die Medien sie verschweigen oder gar vermeintlichen Naturschutz pseudowissenschaftlich bewerben (man denke an den wenig intelligenten Spruch: »diese Fernsehsendung wurde klimaneutral produziert«), so ist doch eine Polarisierung erkennbar. Auf der einen Seite die Arbeitenden der Landwirtschaft und der Lebensmittelproduktion, auf der anderen Jene, die keine Verbindung mehr zu biologischen Produktionsprozessen haben. In vielen Großstädten der Moderne findet überhaupt kaum noch eigentliche (Industrie-) Produktion statt.
Bei den Ereignissen in den Niederlanden von 2019 - 2022 entstand zeitweise sogar der Eindruck, das es sich bei diesem Ringen für nachhaltigen Naturschutz eher um einen Klassenkampf von oben handelte, der genau genommen um Grund und Boden geführt wurde.





Zeitereignisse


2019
13.05.2019 Zweihundert Tierschützer besetzen eine Schweinefarm in Boxtel (Nordbrabant) und verbreiten damit Angst unter den Viehzüchtern. Ein Viehzuchtbetrieb muss höchst zuverlässig und stabil geführt werden, ein Viehzuchtbetrieb ist eben keine Fabrik. Fabrikbesetzungen sind damit nicht vergleichbar. Deswegen organisieren sich die Bauern Schutzkollektive. Es gründen sich u.a. die Farmers Defence Force und die Agractio.
01.10.2019 Tausende Bauern sammelten sich in Den Haag und organisieren einen Verkehrsstau von über Tausend Kilometern Länge. Auf dem Malieveld wurden Schilder und Zäune absichtlich umgefahren. In einer Rede des Schafzüchters Bart Kemp hieß es, das den Politikern das Wissen der Bauern fehle. Die Landwirtschaftsministerin versprach, das zwar der Viehbestand reguliert werden müsse, aber nicht halbiert wird. Befürworter der Klimaschutzmaßnahmen wurden am Sprechen gehindert. Sicherheitspersonal musste eingreifen.
11.10.2019 In den Provinzen Friesland und Nordbrabant protestierten die Bauern gegen das Stickstoffemissionsgesetz. Die friesische Provinz widerrief das Gesetz.
14.10.2019 Es begann die Protestaktion des Verbandes LTO Nederland, der seine 14000 Mitglieder aufrief, mit ihren Protesten in Gelderland, Overijssel, Drenthe, Groningen, Nordholland, Südholland, Flevoland und Utrecht zu beginnen. In Groningen stürmten die Bauern das Gebäude der Provinzregierung.
15.10.2019 Bauern aus Limburg protestierten vor dem Sitz der der Provinzregierung in Maastrich.
Bauern in Zeeland ließen sich auf Verhandlungen ein.
16.10.2019 Am RIVM-Gebäude in Bilthov organisierte die Farmers Defence Force die Proteste. Die Protestierenden zogen zum Binnenhof in Den Haag und zum Hauptbahnhof. Ein FDF-Anführer befürchtete Bürgerkrieg und erklärte, das der Einsatz des Militärs durch die Regierung eine Mauer aus Einschüchterung und Gewalt errichte. Soldaten wurden zur Straßensperrung eingesetzt als Reaktion auf die Gewaltvorgänge in Groningen.
17.10.2019 Die Bauern organisierten kostenlose Frühstücke für die Einwohner von Den Haag und gingen dann wieder auf die Straßen um zu demonstrieren. Mit Traktoren transportierten sie Altpapier und entsorgten es vor Regierungsgebäuden.
25.11.2019 Bauern und Bauarbeiter parkten absichtlich im ganzen Land an Ausfahrten zu Hauptstraßen, um im Einsatzfall die Verbindungen sofort sperren zu können.
13.12.2019 Für mehrere Stunden blockierte die FDF überraschend die Zufahrtsstraßen zum Flughafen Eidhofen, was zu schweren Staus im gesamten östlichen Teil Brabants führte. Auch in Amsterdam und Den Bosch fanden Bauernproteste statt.
17.12.2019 Ein Gerichtsentscheid erlaubte Bauernproteste an geplanten Standorten.
18.12.2019 Für 45 Orte waren Proteste geplant u.a. im Medienpark Hilversum. In Bergen op Zoom blockierten die Bauern ein Chemieunternehmen. Mehrere Grenzübergänge zwischen den Niederlanden und Deutschland wurden gesperrt. An den Sperrungen beteiligten sich auch deutsche Bauern aus Solidarität mit den niederl. Landwirten. Es gab Festnahmen und Bußgeldverhängungen.
2020
05.02.2020 Geplante Gespräche zwischen Protestgruppen und Regierungsmitgliedern, bei denen neue Berechnungen der Stickstoffemissionen vorliegen sollten, wurden abgesagt.
19.02.2020 Die Bauern hielten sich bei ihrem ersten Protest des Jahres 2020 an die Bitte der Stadt Den Haag, nicht wieder das Maliefeld zu benutzen. Sie nutzten dafür den (kleineren) Koekamp. Auf den Autobahnen wurden mehrere Traktorfahrer von der Polizei mit Geldstrafen belegt. Innerhalb der Bauern gab es unterschiedliche Auffsassungen zu Autobahnsperrungen. Die FDF hatte davon abgeraten.
Eine Gruppe von Bauern versuchte, Losungen am Landwirtschaftsministerium anzubringen. Die Polizei verhinderte das.
06.05.2020 Die Ministerin für Landwirtschaft, Natur und Lebensmittelqualität kündigte an, dass sie einen Höchstwert für den Rohproteingehalt im Futter für Milchvieh festlegen werde. Dieser soll im September in Krafttreten. Ziel dieser Gesetzgebung sei es, die Stickstoffemissionen kurzfristig zu reduzieren. Bauern hielten entgegen, das es gegen die Gesundheit der Tiere wäre und zu geringerer Produktion führen würde.
Die Regierung will Möglichkeiten prüfen, mehr bezahlbaren knappen Wohnraum bauen zu können.
02.07.2020 In Den Haag wurde Militär eingesetzt und darauf vorbereitet, die Straßen sperren zu können.
08.07.2020 In der Abfallverarbeitungsanlage in Wijster, Drenthe, kam es zu einer Demonstration, die zur Verhaftung von 57 Bauern führte.
10.07.2020 Dutzende Traktoren blocckierten ein Distributionszentrum in Zwolle. Auf Grund der Blockade konnten 230 Filialen nicht beliefert werden. Auch der Hauptsitz von Jumbo in Veghel und der Flughafen Eidhoven wurde mit Traktoren blockiert.
12.10.2020 Das Stickstoffreduzierungs- und Naturverbesserungsgesetz wird zur Genehmigung eingereicht.
2021
10.03.2021 Das Stickstoffreduzierungs- und Naturverbesserungsgesetz wird zur Genehmigung angemeldet.
01.07.2021 Das Stickstoffreduzierungs- und Naturverbesserungsgesetz tritt in Kraft.
07.07.2021 Als Reaktion auf das Vorgehen der Regierung kamen die Bauern mit ihren Traktoren zum Malieveld in Den Haag. Ein Parlamentsabgeordneter hielt eine Rede, aber anders als vor anderthalb Jahren, was den Bauern auffiel. Landwirte der Farmer Defence Force protestierten in und um Zwolle, Assen, Arnheim und Den Bosch.
2022
10.01.2022 Seit dem 10. Januar 2022 existiert die Funktion einer Ministerin für Natur und Stickstoff.
Das Ministerium für Landwirtschaft, Natur und Lebensmittelqualität hat zwei Minister: einen Minister für Landwirtschaft, Natur und Lebensmittelqualität und eine Ministerin für Natur und Stickstoff (seit 10. Januar 2022).
10.06.2022 Am 10. Juni 2022 legte die Ministerin eine Karte vor, auf der die pro Gebiet zu erreichenden Stickstoffreduktionen dargestellt sind. Noch am selben Abend zogen die Bauern mit Traktoren vor ihr Haus um gegen ihren Plan zu protestieren. Die Ministerein sprach mit den Bauern, aber die Atmosphäre blieb spannungsgeladen.
Eine gleichzeitige Bauernaktion fand am Hof Sneirewaard statt. Beamte des Landwirtschaftsministers wurden für einige Zeit fest gehalten.
Bauern und Symppathisanten versammelten sich entlang der A28 bei Hoogeveen und der A16 bei Moerdijk aus Protest gegen die Kabinetspläne.
Die sogenannten »unangekündigten Bauernproteste« wurden von LTO Nederland, von Politikern aller Parteien und vom Kabinett als inakzeptable Einschüchterung und als Verstoß gegen Vereinbarungen über Protestformen verurteilt. ⇒ Boerenprotesten tegen stikstofbeleid
22.06.2022 Als Reaktion blockierten die ersten Bauern am 22. Juni Flughäfen und Autobahnen mit ihren Traktoren, auch auf verbotenem Gelände. Mit angezündeten Strohballen blockierte man zusätzlich den Verkehr.
04.07.2022 Mancherorts leisteten sich die Bauern ein Katzundmausspiel mit der Polizei. Auf der A37 nahe der deutschen Grenze lösten sie bei Anrücken der Sicherheitskräfte schnell ihre Sperren um sie an anderen Auffahrten sofort wieder aufzubauen.
Im Norden schlossen sich die Fischer den Protesten an und blockierten mehrere Häfen.
2023
11.03.2023 Protest im Zuiderpark. Etwa 25 000 Demonstranten protestierten gegen die Stickstoffpolitik und für Bezahlung der Schäden, die durch Bodensenkungen dank der Gasförderung in Groningen entstanden sind. Die Polizei verhängte Geldstrafen gegen Traktor- und LKW-Fahrer, die ihre Fahrzeuge zum Protest einsetzten.
Mai 2023 Die EU-Kommission erlaubt der niederländischen Regierung, Bauernhöfe in der Nähe von Naturschutzgebieten aufzukaufen und danach zu schließen, wenn sie Grenzwerte der Stickstoffemissionen überschreiten. Die Maßnahmen stünden im Einklang mit den Zielen des European Green Deal. (JW 5.5.23)
Juni 2023 BoerBurgerBeweging Wahlsieger in allen zwölf Provinzen bei den Provinzwahlen 15.3.2023.
Juli 2023 FAZ 8.7.23: »Rutte trifft nach Bruch der Regierung König Willem-Alexander.« (Q.: dpa/AFP)
Die Seite ist noch in Bearbeitung.




Literatur Zitate Begriffe

Bauernproteste
Brüssel
2015
Artikel mit 2 Videos und Aufnahmen des Schweizer Fernsehens
»Tausende Bauern mischen Brüssel auf« (SRF 7.9.2015)
⇒  Schweizer Fernsehen
Niederländische
Stickstoffkrise
ab 2019
Stickstoffkrise in den Niederlanden bezeichnet eine ökologische und rechtliche Situation seit 2019. (Urteil einer Abteilung des Staatsrates)
Blaue Banane Der Begriff ⇒  Blaue Banane bezeichnet eine Megaregion in Europa, deren Urbanisierung eine Kette von Ballungsräumen bildet. Bevölkerungsdichte Europa Dieser Verdichtungsraum ist kein Ergebnis einer Planung, sondern entwickelte sich im Zuge langfristiger historischer Prozesse. Gebiete der Niederlande gehören dem Verdichtungsraum an. Die Niederlande zählen mit 413 Einwohnern/qkm zu den am dichtesten besiedelten Ländern (DS 232/qkm ; Belgien 376/qkm).
Daten über direkte Umwelteinflüsse der Großstädte werden von den Medien wenig bekannt gemacht. Beispiel: Jeweils eine Mio Einwohner einer Großstadt sondern jährlich etwa 7 000 Tonnen Stickstoff an die Gewässer der Umwelt ab.
Agrochemie
Tierchemie
Justus von Liebigs (1803-1873) Interesse galt der Förderung der Landwirtschaft mit dem Ziel: Verhinderung der verheerenden Hungersnöte der damaligen Zeit. Liebig hatte 1816 im ⇒ Jahr ohne Sommer selbst eine erleben müssen. Seine Erkenntnisse fasste er 1840 und 1842 in zwei Werken zusammen: »Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie«, kurz Agriculturchemie genannt, und »Die Thierchemie oder die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Physiologie und Pathologie.«. Die Agrikulturchemie, in der er die Mineraldüngung propagierte und ihre Bedeutung für Qualität und Ertrag der Pflanzen erklärte, erlebte neun Auflagen und wurde überdies in 34 Sprachen übersetzt. Die praktische Anwendung seiner Lehre führte seither zur Vervielfachung landwirtschaftlicher Erträge.
Es ist heutzutage bedeutsam, diesen historischen Hintergrund zu kennen. Die Ernährung großstädtisch organisierter Gesellschaften wäre ohne Kenntnis der Liebig’schen agrikulturchemischen Grundaussagen nicht möglich geworden. Warum Justus Liebig seine Forschungen betrieb, ist im heutigen Großstadtmilieu in Vergessenheit geraten.
Stikstofwet Das Stickstoffreduzierungs- und Naturverbesserungsgesetz vom 10. März 2021 ist ein niederländisches Gesetz, das die Reduzierung von Stickstoffemissionen regelt. Das Gesetz ändert das Naturschutzgesetz und trat am 1. Juli 2021 in Kraft.
Staatsbosbeheer SBB ist der größte Forst-und Naturverwalter der Niederlande.
Im Jahr 1899 gegründet, 100 Jahre später privatisiert. Als Reaktion auf staatliche Kürzungen begann SBB 2013 mit dem Verkauf von Forst-und Natur-Standorten.
TNO Nederlandse Organisatie voor toegepast-natuurwetenschappelijk onderzoek, ist eine Organisation für angewandte Wissenschaft der Niederlande. Im TNO-Gesetz, ursprüngl. vom 30.10.1930, sind Aufgaben, juristischen Bedingungen und die Beziehungen zur Regierung festgelegt.
Im Jahr 2013 wies es eine Bilanzsumme von ca. 600 Mio € auf bei 3900 Mitarbeitern. Das TNO bezieht seine Erlöse zu einem Drittel aus öffentlicher Hand.
Ministerin für Armutspolitik, Beteiligung und Renten Umbenennung seit 10.01.2022 Ministerin für Armutspolitik, Beteiligung und Renten, zuvor Ministerin für Landwirtschaft, Natur und Lebensmittelqualität (26.10.2017-10.01.2022)
Die Ministerin wurde mit Bauernprotesten wegen staatlicher Vorschriften zur Verringerung des Viehbestandes konfrontiert. Im Jahr 2020 schlug sie vor, dass die EU damit beginnen solle, die Tierschutzvorschriften anzupassen. Ab 2021 leitete sie die Bemühungen um Gesetze zur Verringerung schädlicher Ammoniakbelastung.
Ministerin für Natur und Stickstoff Am 10. Juni 2022 kündigte die Ministerin die neuen Stickstoffpläne an, die eine Reduzierungspflicht der Stickstoffemissionen um 70 % in 131 Naturnahen-Gebieten beinhalten. Damit können zukünftig nicht alle Landwirte ihre Tätigkeit fortsetzen.
BBB BoerBurgerBeweging, 2019 gegründet, BBB Wahlsieger in allen zwölf Provinzen bei den Provinzwahlen 15.3.2023.
Aus einer Zeitung am 23.3.2023: "...zuvor war die rechtspopulistische Bauern-Bürger-Bewegung BBB in einem Erdrutschsieg stärkste Kraft in den niederländischen Provinzwahlen geworden, während die Regierung ... abgestraft wurde."
Brüssel
Mai 2023
Die niederländische Regierung darf rund 3000 Bauernhöfe mit einem sehr hohen Bestand an Geflügel, Schweinen, Milchvieh und Mastkälbern zur freiwilligen Aufgabe ihrer Betriebe bewegen. Dafür stellt Den Haag insgesamt 1,47 Milliarden Euro zur Verfügung. Die Entscheidung der EU-Kommission sei wichtig zur Bewältigung der Stickstoffkrise, freute sich die Ministerin für Natur und Stickstoff. Sie befürchtete, Brüssel könne den Plan der niederländischen Regierung als rechtswidrige staatliche Subvention ablehnen.
Juli 2023 »Rutte trifft nach Bruch der Regierung König Willem-Alexander«,»Inmitten der Vertrauenskrise in der niederländischen Politik wird der Asylstreit aber auch als vorgeschobener Grund für das Auseinanderbrechen der Regierung gesehen. ... Neben der Migrationspolitik sorgen sich die Menschen in den Niederlanden auch um die Wohnungsnot, die Energiewende sowie die Klimapolitik. Einer der großen Konflikte ist die Zukunft der Landwirtschaft angesichts angekündigter Umweltauflagen.«

Bauernproteste in den Niederlanden 2019-2022 • Umweltschutz und Viehzucht • © Dipl.ing. Hans Holger Lorenz
Literatur u. Quellenbauernkriege.de • Stand: 6. September 2023