Die zwölf Artikel geschrieben und beschlossen Anfang März 1525
Im oben stehenden Text heißt es:
›› Die grundlichen und rechten Hauptartikel aller Baurschaft und Hintersessen
der geistlichen und weltlichen Oberkeiten,
von wölchen sie sich beschwert vermeinen. ‹‹
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Wörterbuch
Die 12 Artikel
Die grundlichen und rechten Hauptartikel aller Baurschaft und Hintersessen der geistlichen und weltlichen Oberkeiten,
von wölchen sie sich beschwert vermeinen.
Dem christlichen Leser Fried und Gnad Gottes durch Christum.
Es sein viel Widerchristen, die jetzund von wegen der versammleten Baurschaft,
das Evangelion zu schmehen Ursach nehmen, sagent: Das sein die Frucht des neuen Evangelions?
Niemand gehorsam sein, an allen Orten sich emporheben und aufbömen, mit großem Gewalt zuhauflaufen und sich rotten,
geistlich und weltliche Oberkeiten zu reformieren, auszureuten, ja vielleucht gar zu erschlagen?
Allen diesen gottlosen, frevenlichen Urteilern antwurten diese nachgeschriebne Artikel.
Am ersten, daß sie diese Schmach des Wort Gottes aufheben, zum andern die Ungehorsamigkeit,
ja die Empörung aller Bauren christenlich entschuldigen.
Zum ersten ist das Evangelion nit ein Ursach der Empörungen oder Aufruhren, dieweil es ein Rede
ist von Christo dem verheißne Messia, welchs Wort und Leben nichts dann Liebe, Friede, Geduld und Einigkeiten lernet.
Also daß alle, die in diesen Christum glauben, lieblich, friedlich, geduldig und einig werden.
So dann der Grund aller Artikel der Bauren (wie dann klar gesehen wird) das Evangelion zu hören und demgemeß zu leben
dahin gericht ist. Wie mügen dann die Widerchristen das Evangelion ein Ursach der Empörung und des Ungehorsams nennen?
Daß aber etlich Widerchristen und Feind des Evangelii wider söliche Anmutung und Begehrung sich löhnen und aufbömen,
ist das Evangelion nit Ursach, sonder der Teufel, der schedlichst Feind des Evangelii, der solches durch den Unglauben
in den Seinen erweckt, hiemitte daß das Wort Gottes (Liebe, Fried und Einigkeit lernend) untergedruckt und weggenommen
wurde.
Zum andern dann klar lauter folget, daß die Bauren in ihren Artikeln solches Evangelion zur Lehr und Leben begehrent,
nit mügen ungehorsam, aufrührisch genennt werden. Ob aber Gott die Bauren (nach seinem Wort zu leben ängstlich rufend)
erhören will, wer will den Willen Gottes tadlen? Wer will in sein Gericht greifen?
Ja wer will seiner Majestet widerstreben? Hat er die Kinder Israhel zu im schreiend erhöret und aus der Hand Pharaonis
erlediget, mag er nit noch heut die Seinen erretten? Ja, er wirds erretten! Und in einer Kürtz!
Derhalben, christlicher Leser, soliche nachfolgend Artikel liese mit Fleiß und nachmals urteil.
Hie nachfolgend die Artikel
Der erst Artikel.
Zum ersten ist unser diemütig Bitt und Begehr auch unser aller Will und
Meinung, daß wir nun fürohin Gewalt und Macht wöllen haben, ein ganze
Gemein soll ein Pfarrer selbs erwöhlen und kiesen, auch Gewalt haben,
denselbigen wieder zu entsetzen, wann er sich ungebührlich hielt.
Derselbig erwöhlt Pfarrer soll uns das heilig Evangeli lauter und klar
predigen ohne allen menschlichen Zusatz, Lehr und Gebot. Dann uns den
wahren Glauben stets verkündigen, geit uns ein Ursach, Gott um sein Gnad
zu bitten, uns denselbigen wahren Glauben einbilden und in uns
besteten; dann wann sein Genad in uns nit eingebildet wird, so bleiben
wir stets Fleisch und Blut, das dann nichts nutz ist, wie klärlich in
der Geschrift stat, daß wir allein durch den wahren Glauben zu Gott
kommen kinden und allein durch sein
Barmherzigkeit sälig müssen werden. Darum ist uns ein sölicher Vorgeher
und Pfarrer vonnöten und in dieser Gestalt in der Geschrift gegrindt.
Der ander Artikel.
Zum andern. Nachdem der recht Zehnt aufgesetzt ist im Alten Testament
und im Neuen alles erfüllt, nichts destminder wollen wir den
rechten Kornzehnt gern geben, doch wie sich gebührt: Demnach man soll
ihn Gott geben und den Seinen mitteilen. Gebührt es einem Pfarrer, so
klar das Wort Gotts verkindt, seien wir des Willen hinfüro, diesen
Zehnt unser Kirch Pröpst, so dann ein Gemein setzt, sollen
einsammlen und einnehmen, darvon einem Pfarrer, so von einer ganzen
Gemein erwöhlt wird, sein ziemlich gnugsam Aufenthalt geben, ihm und den
Seinen, nach Erkanntnus einer ganzen Gmein, und was überbleibt, soll
man armen Dürftigen, so im selben Dorf verhanden seind, mitteilen,
nach Gestalt der Sach und Erkanntnus einer Gemein. Was
überbleibt, soll man behalten, ob man Reisen müßt von Lands Not
wegen. Darmit man kein Lands Steuer dürf auf den armen Mann legen, soll
mans von diesem Überschuß ausrichten. Auch ob Sach were, daß eins
oder mehr Dörfer weren, die den Zehenten selbs verkauft hettent aus
etlicher Not halben, dieselbigen, so darum zu zeigen, ihn dergestalt
haben von einem ganzen Dorf, der soll es nit entgelten, sonder wir
wellen uns ziemlicher Weis nach Gestalt der Sach mit ihm vergleichen,
ihm solichs wieder mit ziemlicher Ziel und Zeit ablösen. Aber wer von
keinem Dorf solichs erkauft hat und ihre Vorfahren ihnen selbs solchs
zugeeigent haben, wöllen und sollen und seind ihnen nichts weiters
schuldig zu geben, allein, wie ob stat, unsern erwöhlten Pfarrer darmit
zu unterhalten, nachmalen ablösen oder den Dürftigen mitteilen, wie die
Heilig Geschrift inhölt, sie seien geistlich oder weltlich. Den kleinen
Zehnt wöllen wir gar nit geben, dann Gott der Herr hat das Viech frei
dem Menschen beschaffen, das wir für ein unziemlichen Zehnt schetzen,
den die Menschen erdicht haben. Darum wöllen wir ihn nit weiter geben.
Der dritt Artikel.
Zum dritten ist der Brauch bisher gewesen, daß man uns für ihr eigen Leut gehalten haben, wölchs zu erbarmen ist, angesehen,
daß uns Christus all mit seinem kostbarlichen Blutvergüßen erlöst und erkauft hat, den Hirten gleich als wohl
als den Höchsten, kein ausgenommen.
Darum erfindt sich mit der Geschrift, daß wir frei seien und wöllen sein.
Nit daß wir gar frei wollen sein, kein Oberkeit haben wellen, lernet
uns Gott nit. Wir sollen in Geboten leben, nit in freiem fleischlichen
Mutwillen, sonder Gott lieben, ihn als unsern Herren in unsern
Nechsten erkennen und alles das ton, so wir auch gern hetten, das uns
Gott am Nachtmahl geboten hat zu einer Letz. Darum sollen wir nach
seinem Gebot leben. Zeigt und weist uns dies Gebot an, daß wir der
Oberkeit nit ghorsam seien? Nit allein der Oberkeit, sunder wir sollen
uns gegen jedermann diemütigen, daß wir auch gehren gegen unser
erwehlten und gesetzten Oberkeit (so uns von Gott gesetzt) in allen
ziemlichen und christlichen Sachen gern gehorsam sein. Seien auch ohn
Zweifel, ihr werdent uns der Eigenschaft als wahr und recht Christen
gern entlassen oder uns im Evangeli des berichten, daß wirs seien.
Der viert Artikel.
Zum vierten ist bisher im Brauch gewesen, daß kein armer Mann nit Gewalt
gehabt hat, das Wildbret, Gevigel oder Fisch in fliessenden Wasser nit
zu fachen zugelassen werden, welchs uns ganz unziemlich und unbrüderlich
dunkt, sunder eigennützig und dem Wort Gotts nit gemeß sein. Auch in
etlichen Ortern die Oberkeit uns das Gewild zu Trutz und mechtigem
Schaden haben, wir uns das unser (so Gott dem Menschen zu Nutz wachsen
hat lassen) die unvernünftigen Tier zu Unnutz verfretzen mutwilliglich
leiden müssen, darzu stillschweigen, das wider Gott und dem Nechsten
ist; wann als Gott der Herr den Menschen erschuf, hat er ihm Gewalt
geben über alle Tier, über den Vogel im Luft und über den Fisch im
Wasser. Darum ist unser Begehren: Wann einer Wasser hette, daß ers mit
gnugsamer Schrift beweisen mag, daß man das Wasser ihn wissenlich also
erkauft hette, begehren wir ihms nit mit Gewalt zu nehmen, sunder man
müßt ein christlich Einsehen darinnen haben vonwegen brüderlicher Lieb.
Aber wer nit gnugsam Anzeigen darum kann ton, solls einer Gemein
ziemlicher Weis mitteilen.
Der fünft Artikel.
Zum fünften seien wir auch beschwert der Holzung halb, dann unsere
Herrschaften habent ihnen die Hölzer alle allein geeignet, und wann der
arm Mann was bedarf, muß ers um zwei Geld kaufen. Ist unser Meinung: Was
für Hölzer seien, es habens Geistlich oder Weltlich innen, die es nit
erkauft haben, sollen einer ganzen Gemein wieder anheimfallen und einer
Gemein ziemlicher Weis frei sein, eim jetlichen sein Notdurft ins Haus
zu brengen umsunst lassen nehmen, auch wann vonnöten sein wurde zu
zimmern, auch umsunst nehmen, doch mit Wissen der, so von der Gemein
darzu erwehlt werden. So aber keins vorhanden wer, dann das, so redlich
erkauft ist worden, soll man sich mit denselbigen briederlich und
christelich vergleichen. Wann aber das Gut am Anfang aus ihnen selbs
geeignet wer worden und nachmals verkauft worden, soll man sich
vergleichen nach Gestalt der Sach und Erkanntnus briederlicher Lieb und
Heiliger Geschrift.
Der sechst Artikel.
Zum sechsten ist unser hart Beschwerung der Dienst halben, wölche von
Tag zu Tag gemehrt werden und teglich zunehmen. Begehren wir, daß man
ein ziemlich Einsehen darein tu, uns dermaßen nit so hart beschweren,
sonder uns gnedig hierinnen ansehen, wie unser Eltern gedient haben
allein nach Laut des Wort Gotts.
Der siebent Artikel.
Zum siebenten. Daß wir hinfüro uns ein Herrschaft nit weiter wöllen
lassen beschweren, sonder wies ein Herrschaft ziemlicher Weis eim
verleiht, also soll ers besitzen laut der Vereinigung des Herren und
Bauren. Der Herr soll ihn nit weiter zwingen noch dringen, mehr Dienst
noch anders von ihm umsunst begehren, darmit der Baur solich Gut
ohnbeschwert also rüeblich brauchen und nießen müg. Ob aber dem Herren
Dienst vonnöten weren, soll ihm der Baur willig und gehorsam für ander
sein, doch zu Stund und Zeit, daß dem Bauren nit zu Nachteil dien und
ihme um einen ziemlichen Pfenning Dienst tun.
Der achtet Artikel.
Zum achten sei wir beschwert, und der viel, so Güter innen haben, daß
dieselbigen Güter die Gült nit ertragen kinden und die Bauren das Ihr
darauf einbießen und verderben. Daß die Herrschaft dieselbigen Güter
Erberleut besichtigen lassen und nach der Billigkeit ein Gilt erschöpf,
damit der Baur sein Arbeit nit umsunst tue, dann ein jetlicher Tagwerker
ist seins Lohns wirdig.
Der neunt Artikel.
Zum neunten seien wir beschwert der großen Frevel, so man stets neu
Satzung macht. Nit daß man uns straft nach Gestalt der Sach, sunder zu
Zeiten aus großem
Neid und zu Zeiten aus großem Gunst. Ist unser Meinung, uns bei alter,
geschriebner Straf strafen, darnach die Sach gehandelt ist, und nit nach
Gunst.
Der zehent Artikel.
Zum zehenten sei wir beschwert, daß etlich haben ihnen zugeeignet
Wiesen, dergleichen Ecker, die dann einer Gemein zugeherent. Dieselbigen
werden wir wieder zu unsern gemeinen Händen nehmen; es sei dann Sach,
daß mans redlich erkauft hab. Wann mans aber unbillicher Weis erkauft
hett, soll man sich gütlich und briederlich miteinander vergleichen nach
Gestalt der Sach.
Der eilft Artikel.
Zum eilften wellen wir den Brauch, genannt den Todfall, ganz und gar
abtun haben, den nimmer leiden noch gestatten, daß man Witwen, Waisen
das Ihr wider Gott und Ehren also schendlich nehmen, berauben soll, wie
es an viel Orten (mennigerlei Gestalt) geschehen ist, und von den, so
sie beschitzen und beschirmen sollten; hant sie uns geschunden und
geschaben, und wann sie wenig Fug hettent gehabt, hettent sies gar
genommen, das Gott nit mehr leiden will, sunder soll ganz absein, kein
Mensch nichts hinfiro schuldig sein zu geben, weder wenig noch viel.
Beschluß.
Zum zwelften ist unser Beschluß und endliche Meinung: Wann einer oder
mehr Artikel, allhie gestellt, so dem Wort Gottes nit gemeß weren, als
wir dann nit vermeinen, dieselbigen Artikel woll man uns mit dem Wort
Gotts für unziemlich anzeigen, wollt wir darvon abston, wann mans uns
mit Grund der Schrift erklert. Ob man uns schon etlich Artikel jetz
zuließ und hernach sich befendt, daß unrecht weren, sollen sie von
stundan tot
und absein, nichts mehr gelten, dergleichen, ob sich in der Schrift mit
der Wahrheit mehr Artikel erfunden,
die wider Gott und Beschwernus des Nächsten weren, wöll wir uns auch
vorbehalten, und beschlossen haben,
und uns in aller christlicher Lehr ieben und brauchen, darum wir Gott
den Herren bitten wöllen,
der uns dasselbig geben kann und sunst niemand.
Der Fried Christi sei mit uns allen.
aus: DOKUMENTE AUS DEM DEUTSCHEN BAUERNKRIEG
Beschwerden Programme Theoretische Schriften
Verlag Philipp Reclam jun. Leipzig 1974
Printed in German Democratic Republic (DDR) 1974
Seite 88 - 95
"Entwurf einer Gedächtnissäule für den Bauernaufstand"
von Albrecht Dürer um 1526
www.bauernkriege.de
Notizen zum Deutschen Bauernkrieg
beg. 2006 • Stand 10.11.2024
Hans Holger Lorenz