Bäuerliche Klassenkämpfe in der Lausitz 1790 bis 1794 (1)
Da war der Bautzener katholische Bischof Franc Jurij Lok viel realistischer mit seiner Erkenntnis, als er noch vor Ausbruch der Ereignisse schrieb: welche die Völker aufregen wird, sich ihre Quäler und Blutsauger vom Halse zu schaffen..."(6) Die Unruhen schwächten sich zunächst ab. 1791 gab es noch Tumulte in Teichnitz sowie in den Dörfern Nostiz und Spittel. In Rothnaußlitz kursierte Aufstandsagitation. 1794 wurde sogar die Kanzlei der Standesherrschaft Sorau von aufgeregten Bauern erstürmt aus Protest gegen die zunehmenden Einschränkungen ihrer Rechte. In den Jahren 1793/94 gelangten die Nachrichten aus Frankreich häufiger in die Lausitz. Die in der Jakobinerdiktatur beschlossenen Agrargesetze und das "Dekret über die vollständige und entschädigungslose Abschaffung der Feudalrechte" (17.7.1793)(7) fanden nicht nur in Frankreich ihren Widerhall. "Jetzt, am 17.Juli 1793, hörte das Gesetz in Frankreich auf, die Rechte des Feudalherren, die leibeigene Abhängigkeit des Menschen von einem anderen Menschen, anzuerkennen."(8) Es ist schon absonderlich, wie die Herrschenden in der Lausitz ihre Situation verkannten, da sie die Unruhen einigermaßen eingedämmt glaubten. Die Regierung beschloß, den kirchlichen Feiertag Mariä Verkündung (25.März) von einem Wochentag auf einen Sonntag zu verlegen. Das hatte seinen Grund darin, das die Herren sonst auf einen Tag Frondienstgewinn verzichten mußten, was sie in ihrer naturgemäßen Habgier nicht wollten. |
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An diesem Feiertag der Mariä Verkündung sollte also Frondienst geleistet werden, sehr katholisch waren die Besitzenden da wohl nicht. Der Widerstand entwickelte sich bereits nach Verlesung der Anordnung von den Kanzeln, und das war im Februar. Die Markttage in Wittichenau und in Reichwalde wurden von den Bauern genutzt für Agitation und Vorbereitung. |
Am 25.März erzwangen die Bauern den Zutritt zur Kirche und zum Gottesdienst. Im niederlausitzischen Stargard der Standesherrschaft Amtitz versammelten sich die Landleute auf dem Friedhof um die verschlossene Kirche herum und lasen anstelle des flüchtigen Pfarrers selbst aus der Heiligen Schrift. In Königswartha wollte man lieber die Kirchentür mit Äxten einschlagen, besann sich dann aber eines besseren. So erzwangen die Leute eine Schlüsselübergabe und zogen ihren widerspenstigen Kirchenmann mit hinein zum Gebet. Sich auf ihn aber nicht verlassend, leuteten sie selbst zum Gottesdienst und verrichteten ihn in eigener Regie.(9) Solch ein kämpferischer Gottesdienst fand auch in Klix statt. In Lohsa hielten die Leute ihren Geistlichen so unter Kontrolle, das er den ordnungsgemäßen Kirchentag auch ordnungsgemäß durchführen mußte. Desgleichen geschah in Gröditz, Nostitz, Malschwitz, Hochkirch, Cunewalde und anderswo. Tausende Bauern waren an dieser Aktion beteiligt, eine der menschlichsten für Mariä Verkündung in dieser Landschaft. Die Oberamtsregierung von Bautzen selbst kam zu dem Entschluß, künftig von einer Vermehrung der Frondienste durch "Verlegung" des Hochfestes für Mariä Verkündigung abzusehen. Ein gewisser Gutsherr auf Lohsa schien die Regeln für kirchliche Hochfeste nun garnicht zu kennen und drohte den Glockenläutern vom 25.März mit Verhaftung. Es waren ihrer ganze sechs und sie sollten auf seinem Hof demütigende Abbitte leisten. Statt dessen erschienen am 29.Juli Hunderte mit Knüppeln Bewaffnete und lehrten diesem Herrn das Beten. Sie kamen aus den Dörfern Litschen, Driewitz, Weißkollm, Ratzen, Lippen und Tiegling. Ihre Anführer waren der Zimmermann Jan Cuska und der Häuslert Jan Tunka aus Weißkollm und der Häusler Michal Barc aus Driewitz. Kurzerhand stürmte die Menge das Herrenhaus, mußte aber dann doch in die Felder ausschwärmen, um den geflüchteten Gutsherren von Muschwitz einfangen zu können. Die Menge schleppte "diesen dicken Racker" unter Sclägen und Drohungen "Schmeißt doch den Hund tot!" (9) auf den Herrenhof zurück. Dort verprügelten an die 2000 Rebellen auch den Gerichtsdiener und plünderten das Schloß. Man schrie dabei: Nach dem v.Muschwitz ängstlich versprach, den Gottesdienst der Bauern nicht strafrechtlich verfolgen zu lassen, marschierten die Aufrührer ins benachbarte Driewitz und wiederholten ihre Lehrunterweisung für die Herrschaft auf dem dortigen Gutshof. |
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Die Reaktion der Regierung war zunächst Hinhaltetaktik. Während dieser Tage verstärkte man jedoch die Militärgarnision in Hoyerswerder. Am 11.August wurden die Dragoner nach Lohsa geschickt. Der mutige Verteidigungsversuch der Bewohner von Driewitz mußte angesichts der militärischen Übermacht scheitern. 25 Bauern wurden zu Zuchthaus und Festungshaft verurteilt. Die Kavallerie blieb bis Oktober im Unruhegebiet stationiert und auf den Bauernhöfen einquartiert. Historisch interessant ist heute, wie die Herrschenden nach Niederschlagung der Revolte wieder mittelalterliche Strafen einführen wollten. Die Strafe des öffentlichen Auspeitschens und das Spießrutenlaufen sollten bei geringster Widersetzlichkeit angewendet werden. Festungshaft und das Zuchthaus genügten als Strafen nicht, denn die Bauern waren nach Ansicht ihrer Herren so "geringe Kost und schwere Arbeit gewöhnt"! Die letzten bäuerlichen Unruhen wurden 1799/1800 im Herrschaftsbereich des oberlausitzischen Klosters Marienthal durch Militärkommandos unterdrückt. Danach wurden die Rechte der Untertanen an der Waldnutzung aufgehoben. In einem zeitgenössischen Gutsherren-Text heißt es: "...ich wüßte in der Tat für einen, der sein Geld gerne in Landgüter verwenden will, keinen bequemeren Platz als die Oberlausitz, ... vorteilhaftere sichere Benutzung der Kapitalien findet man ... nicht leicht in anderen Ländern für Grundbesitzer." (12) |
Quellen und Literaturangaben |
Chronik der Sorben und Wenden |
an die Stadtbibliothek von Lübbenau für die freundliche Unterstützung! |
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