Landvermessung, Steuererhöhungen und Arbeitslager nach der Mazdakischen Revolte 491 bis 529 u. Z.


Mazdak aus Persien und die Lügen der Sieger


Die Geschehnisse vor eineinhalb Tausend Jahren im historischen Persien sind heute vielleicht wenigstens aus zweierlei Gründen interessant. Sie bieten Musterbeispiele für mehr oder weniger begabte Herrscher, die kaum mit dem für sie eigentlich wichtigstem Potential umgehen konnten: mit der menschlichen Arbeitskraft ihrer Untertanen. Nahrungsmittelproduzenten waren die Bauern. In völliger Unkenntnis über die unverzichtbare Existenz dieser Menschenart wurden sie geschunden, betrogen und entwürdigt. Zeitweise ermordete man sie in Massen obwohl sie den eigentlichen Reichtum hervorbrachten.
Zugleich haben wir ein schauderhaftes Beispiel dafür, wie die Berichterstattung der Sieger über Bauern immer und grundsätzlich aussieht. Das zeigte sich nicht nur im alten Persien - das zog sich durch die Welthistorie bis in die Gegenwart.

Zwei Rivalen: Rom und Persien

Die Geschichte der Mazdakiten führt uns in die Zeit des Oströmischen Reiches - aber auf die Seite seines größten Gegenspielers: Persien. (1) Die Römer wünschten sich in jenen Jahren einen Friedensvertrag mit dem Sassanidenreich, weil sie diesen Frieden bitter benötigten. Nicht nur wegen der Barbareneinfälle an den anderen Grenzen Roms. Auch dauernde Epidemien, schwere Erdbeben und flüchtige Sklaven machten den Römern das Leben schwer.

Die Herrscher auf der persischen Seite hatten es nicht leichter. Zwei einheimische Adelshäuser planten ständig, König Kavadh vom Thron zu stürzen. (2) Die unschlagbaren Hunnen drohten den Persern aus dem Nordosten und das christliche Georgien im Nordwesten meuterte gegen die Zoroastrische Religion. König Kavadh brauchte also dringend mehr Kriegspotential.

Mazdak's Reformen

Da will es die Zeit, das ein zoroastrischer Priester Gedanken darüber anstellte, wie man das Leben der Bauern erleichtern könnte. Er nannte sich Mazdak. Für ihn gab es zwei Welt-Prinzipien: Licht als das Gute und Dunkel als das Böse. Die Aufgabe eines richtigen Mannes bestand für ihn darin, die Kräfte des Lichts zu unterstützen. Die Armut der persischen Bevölkerung zählte Mazdak dem Dunkel zu. Weil es Wohl und Übel stets gleichzeitig gäbe, wäre es wichtig, das jeder das Gute tatkräftig unterstützt! Also führe jeder sein Leben bescheiden und moralisch, verabscheue Habgier und Reichtum, lebe in Frieden und lehne Krieg ab. Grundsätzlich gälte die Hilfe den Armen.
Dieses neue religiöse Konzept, das allen anderen Zoroastrischen Priestern so gar nicht gefallen wollte, begann Mazdak etwa ab 484 zu predigen und errang damit unglaublichen Erfolg.
König Kavadh I. hatte somit drei Unruheherde im eigenen Reich. Die feindlichen Adelshäuser Mihran und Karen und die soziale Bewegung der Mazdakiten. Aber im Gegensatz zu vielen Herrschenden kommender Jahrhunderte war König Kavadh offenbar ein schlauer Kerl. Er schloß sich den wohl ersten Kommunisten der Geschichte an. Mit der Rückenstärkung königlicher Macht verwirklichte Mazdak sein Programm sozialer Reformen.
Die Mazdakiten entmachteten zuerst die Zoroastrischen Priester und dann den Adel. Sie schlossen Friedensverträge nach außen und öffneten die reichhaltigen Lagerhäuser der Regierung für das Inland. An die Bedürftigen wurden kostenlos Güter ausgegeben. Die königliche Unterstützung für die Mazdakiten zeigte sich allerdings etwas blauäugig. Kavadhs eigentliches Ziel - die Zerschlagung der Adelsrevolte - vermochte er nur mit Mazdaks Volksbewegung durchzusetzen. Wäre dieses Ziel erreicht, würde das Bündnis hinfällig sein.

Die Lehren der Geschichte scheinen immer gleich: den Verrat am eigenen Volk begeht zuerst der einheimische Adel! Klerus und Edelmänner liefen über zu den feindlichen Hephtaliten und brachten mit deren Hilfe 496 ihren König zu Fall. Um wieder an die Macht zu kommen vollführte König Kavadh eine politische Rochade! Er setzte seinen zweitgeborenen Sohn an die Regierungsspitze und dieser Khosrau startete eine blutige Kampagne gegen die Mazdakis etwa zwischen 524 und 528. Sie begann mit einem Massaker während eines Festessens mit allen Anführern der Revolutionäre, bei dem alle Gäste getötet wurden. Mit ihnen starb auch Mazdak.
Der junge Königssohn erledigte die Frage der Thronfolge gleich mit. Wenn schon einmal dabei, befahl er auch den Mord an seinem älteren Bruder!

Nach dem Sieg über die Mazdakiten

Doch damit ist diese Geschichte noch nicht an ihrem bitteren Ende. Denn jetzt verfügte der neue Sassanidenherrscher über den Spielraum, den er für seine unbegrenzte Habgier brauchte: der alte aufmüpfige Adel krümmte sich unwiderruflich geschlagen, die Kräfte der sozialen Armenbewegung waren vollständig vernichtet.
Jetzt zentralisierte Khosrau seinen Staat. An die Stelle alten Feudaladels standen nun Beamte - also Bürokraten. Alles Land wurde neu vermessen und aufgelistet, jede Dattelpalme und jeder Ölbaum gezählt, jede Frucht, jedes Brot... Auf alles erhoben die Beamten eine Steuer! Neue Steuern auch auf jeden Bewohner, jedes Haus, jeden Garten, auf jedes Tier usw. Neu war auch, das Steuern im Voraus bezahlt werden mussten als Soll-Steuer - nicht in Abhängigkeit vom Ernteertrag. Für Steuersünder errichteten die Bürokraten konzentrierte Arbeitslager. Ein neues Militär - das Rittertum (die Dehkanan) sicherten den skrupelosen Unterdrückungsapparat.

Lügen für die Nachwelt

Und noch eine Sache mußte der Herrscher vor eineinhalb Tausend Jahren bewerkstelligen. Die Nachwelt sollte niemals die Wahrheit über die Mazdakische Bewegung erfahren.
So haben wir heute keine direkten Quellen der vielleicht ersten Kommunisten. Keines ihrer Bücher ist uns erhalten geblieben. Keine Bauten und keine Beweisstücke. Überliefert sind uns nur jede Menge Legenden aus zweiter und dritter Hand, manche Jahrhunderte später von Feinden jeglicher Volksbewegung fabuliert. So wollten die Aufrührer jeglichen Privatbesitz vernichten. Dafür sollten Frauen angeblich Allgemeinbesitz sein. Die Frauen der Adligen hätten die Revolutionäre unter sich verteilt. Die Ehe hätten sie ersetzt durch Gratisgeschlechtsverkehr jeder mit jedem. Alle Wertsachen warfen sie in die Brunnen. Es sollte keine Edelleute mehr geduldet sein. Verboten sei der Fleischverzehr und alle Lustbarkeit. u.s.w.
Irgendwie kommt alles so bekannt vor. Wer waren die Schreiber dieser Historie? Nichts Wahres ist für die Nachwelt übrig geblieben als nur kurze Erwähnungen in den Dokumentenbruchstücken aus ganz anderen Zeiten so z.B. aus syrischen, griechischen und römischen Quellen. Diese berufen sich zumeist auf Berichte der Gegner der Mazdakischen Rebellion.
Selbst die Existenz des Menschen Mazdak wird zuweilen in Frage gestellt. Man sagt dann, er sei nur eine Fiktion gewesen! Eine Art Wunschtraum der armen Bevölkerung Persiens.
Aber kleine kristallklar glänzende Splitter des Gedankenguts von Mazdak blieben erhalten. Sie wurden auf nicht nachweisbaren Wegen östlich in den asiatischen Buddhismus getragen. Andere funkeln westlich aus dem Geist der Katharer und Albigenser hervor und wieder andere fanden sogar ihren Weg hinein in die Mildtätigkeit der Franziskaner. Erst vierzehn Jahrhunderte später wird der Gedanke des Kommunismus eine wissenschaftliche Grundlage erhalten.
Geblieben ist mit der Lügenherrschaft der Sieger aber auch die Habgier der Herrschenden, die keine Grenzen zu kennen scheint. Im Gegenteil, ihre Raffsucht zwang sie von Verbrechen zu Verbrechen, schlimmer werdend von Jahrhundert zu Jahrhundert. Licht und Dunkel lehrte Mazdak. Seit den Achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts herrscht scheinbar wieder mehr Dunkelheit in der ganzen Welt.

Fußnoten
(1) Rom hatte über Jahrhunderte nur einen großen Gegenspieler: Persien. Über vier Jahrhunderte wechselten sich häufige Kriege mit Perioden friedlicher Koexistenz ab. Es fiel keine abschließende Entscheidung zwischen den beiden Reichen, da ihre Auflösung schließlich aus dem Inneren heraus zum jeweiligen Ende einer Supermacht führte. Besonders in Mitleidenschaft gezogen wurden von dieser dauerhaften Rivalität die kleinen Länder, die zwischen den beiden Großmächten lagen. Deren Adelsschichten wechselten häufig, je nach Lage der Dinge, ihr untertäniges Verhalten zum überstarken Nachbarn. Das beschleunigte stets die Verarmung und Verelendung der Landbevölkerungen. Ein besonders herausragendes Beispiel dafür war das jahrhunderte lange Ringen zwischen Rom und Persien um Gebiete, die heute Armenien bilden. Das ist aber nicht Gegenstand dieses Beitrages über die Mazdakiten.

(2) Für den Namen des König Kavadh finden sich in der Literatur verschiedene Schreibweisen: z.B. Kavad, Kavādh u.a. Das gilt auch für andere hier aufgeführte Namen. Das ist aber nicht Gegenstand dieses Beitrags. Hier ist mit Kavadh der König Kavadh I. aus der Dynastie der Sassaniden 488 bis 531 gemeint.

Zur (historischen) Quellenlage
Josua Stylites Die syrische Chronik scheint die einzige zeitgenössische Quelle zu sein.
googlebook Andreas Luther, Die syrische Chronik des Josua Stylites
googlebook Hans-Ulrich Wiemer: Staatlichkeit und politisches Handeln in der römischen Kaiserzeit
al Tabari (839-923) Islamischer Gelehrter persischer Abstammung, schrieb die Geschichte des Neupersischen Reiches der Sassaniden.
Prokopius von Caesarea (500?- 562) griechischer Historiker, schrieb eine Kriegsgeschichte römischer Kaiser, darunter über die römisch-persischen Kriege.
Agathias Scholastikos (536-582) Oströmischer Historiker. Seine Historie schließt bewusst an das Werk des Prokopios von Caesarea an und erwähnt endend den Tod des Perserkönigs Chosrau I. (579).
neuere Literatur
Theodor Nöldeke (1836-1930) Deutscher Orientalist.
Geschichte der Perser und Araber zur Zeit der Sassaniden. Aus der Arabischen Chronik des Tabari, Leyden 1879
Otakar Klima Beiträge zur Geschichte des Mazdakismus, Prag 1977



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Notizen zum Thema Bauernkriege / beg. 29.03.2007 / Stand 02.09.2015 / Hans Holger Lorenz